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Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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führten mich ins Haus. Es roch nach sauberen Tapeten und frischer Farbe, und obwohl die Raumanordnung dieselbe war wie zu Marys Zeiten, wirkte das Haus völlig verändert. Ich wurde durch alle Etagen geführt und bewunderte pflichtschuldig die Renovierung, obwohl mich Vanessas Inneneinrichtung und Adams Wandmarmorierungen nicht sonderlich interessierten. Zu Marys Zeit war das Haus chaotisch gewesen, und man hatte alles Mögliche darin finden können, von betrunkenen Dichtern bis zu Austern in einem Eimer voll Eis. Jetzt war es nur eine hübsche Yuppie-Wohnung wie viele andere in Greenwich Village.
    Erst als wir den Keller betraten, in dem Marys Werke vorläufig aufbewahrt wurden, hatte ich das Gefühl, in meine alte Wohnung zurückzukehren. Die meisten von Marys Gemälden waren fünf bis sechs Quadratmeter große Farbexplosionen. Sie hatte ihnen absurde Titel gegeben, die Vanessa nun von der Liste ablas, während Adam die Bilder ausrollte. «Tausend sterbende Würmer», «Kriech nicht in den Waschzuber», «Kampf der Nasen» und so weiter. Vielleicht hatte sie geglaubt, die Titel würden das Interesse der Käufer wecken, an denen zu meiner Verwunderung kein Mangel geherrscht hatte.
    «David», sagte Vanessa plötzlich. Das Bild war kleiner als die meisten anderen, weniger als einen Meter hoch und etwa sechzig Zentimeter breit. Obwohl Mary die Form gebrochen und das Geschlechtsteil im Vergleich zu Michelangelos Original beträchtlich vergrößert hatte, war das Vorbild zu erkennen. Die Augen waren die gleichen wie bei der Statue, voller Angst und Verzweiflung.
    «Wann hat sie das gemalt?»
    Adam sah auf der Liste nach. «Vor zweieinhalb Jahren. Mary hat damals eine Rundreise durch Italien gemacht und das, was sie dort sah, in ihren Gemälden kommentiert. Ihre Version des Freskos in der Sixtinischen Kapelle hat sie zu einem Spitzenpreis verkauft und …»
    «Steht das genaue Datum auf der Liste?», unterbrach ich ihn. Als Adam es nannte, zuckte ich zusammen. Es war genau der Tag, an dem ich in Kopparnäs zum ersten Mal meinem David begegnet war. Das erschien mir wie ein gutes Omen.
    «Könnte ich das haben? Es ist leichter zu transportieren als die großen Stücke.»
    «Magst du gegenständliche Kunst lieber als abstrakte?», fragte Vanessa lächelnd. Ich sah, wie sich ihr Bauch bewegte, als ihr Baby strampelte.
    «Dazu habe ich keine Meinung. Das hier gefällt mir einfach.»
    Adam packte das Bild ein, und Vanessa lachte über das zappelnde Wesen in ihrem Leib. Die beiden baten mich, zum Mittagessen zu bleiben, doch ich musste zurück ins Hotel. Als ich auf den Hof kam, erwartete mich ein Anblick aus meiner Vergangenheit: Angus lag in der Sonne, mindestens so üppig wie vor Jahren. Er musste schon mehr als fünfzehn Jahre alt sein, aber er schnurrte immer noch majestätisch und wälzte sich zufrieden, als ich ihn streichelte und ihm auf Finnisch versicherte, er sei ein prachtvoller Kater. Vielleicht erkannte er mich am Geruch, schließlich hatte ich zwei Jahre lang fast täglich Umgang mit ihm gehabt.
    Erst in der U-Bahn wurde mir klar, dass ich das Gemälde weder am Bulevardi noch in meinem Zimmer in Långvik aufhängen konnte, weil es zu verräterisch war. Ich würde mich wieder an Frau Voutilainen wenden müssen. In ihrer Wohnung hingen viele Gemälde, und sie wusste, an wen ich mein Herz verloren hatte. Sie würde sicher ihren Spaß daran haben, wenn ihre Freundinnen beim Anblick des prachtvollen Pimmels die Hände über dem Kopf zusammenschlugen.
    Sobald ich im Hotel war, rief ich Gezolian an.
    «Hilja hier. Ich habe letzte Nacht kaum geschlafen, weil ich über die Sache nachdenken musste. Es ging mir nicht aus dem Kopf, dass Stahl mich mit der Leiche allein gelassen hat, ohne ein Wort der Erklärung. Kurz und gut, ich mache mit.»
    «Danke. Jetzt weiß ich, dass ich dir meine Tochter anvertrauen kann.»
    Im Taxi befühlte ich meine Nase, aber sie war nicht gewachsen. Lügen waren von außen nicht zu sehen, sie fraßen einen nur innerlich an. Wenn Gezolian allerdings herausfand, dass ich ihn belogen hatte, würde ich mehr riskieren als nur meine Nase.
     
    Am Flughafen gab es Ärger, weil das Paket mit Julias Brautkleid zu groß für das Handgepäck war, sie sich aber strikt weigerte, es in den Frachtraum transportieren zu lassen. Ich musste mein ganzes diplomatisches Geschick aufbieten und versprach schließlich sogar, das Paket notfalls während des achtstündigen Flugs auf dem Schoß zu halten. Die Maschine

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