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Das Netz der Chozen

Titel: Das Netz der Chozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
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mit der Erziehung ihrer Kinder — eben dieser zweiten Generation — sehr viel Mühe gegeben hatten. Sie waren noch fast in einer Menschenkultur aufgewachsen, kannten alle Geschichten und Legenden und besaßen so viel Wissen, wie ihre Eltem ihnen vermitteln konnten, aber ihre einzige Lebenserfahrung war die von Chozen. Dieses Mädchen hat noch nie den Himmel und die unzähligen Sterne gesehen, dachte ich, oder irgendeinen Gegenstand in der Hand gehalten, und doch war sie kulturell mir und George ähnlich.
    »Erzählen Sie mir etwas über sich«, sagte sie.
    Ich lachte. »Da gibt's nicht viel zu erzählen. Wenige Jahre, nachdem Ihre Peace Victory startete, ist es uns gelungen, das Problem der Schneller-als-Licht-Raumfahrt zu lösen, und ich habe die letzten Jahre damit verbracht, nach neuen Welten zu suchen, auf denen wir die immer rascher anwachsende Bevölkerung ansiedeln können.«
    Sie seufzte, und ich wußte, daß meine Worte in ihr einen romantischen Nerv berührt hatten.
    »Solche riesigen Entfernungen haben Sie überwunden. — Ich bin noch nie weiter gekommen als bis zur anderen Seite der Berge.« Sie seufzte. »Sagen Sie mir: wie sehen sie aus, diese Sterne?«
    Ich suchte nach einem Vergleich. »Wissen Sie, wie strömendes Wasser funkelt?« versuchte ich es. Sie nickte. »Stellen Sie sich so ein Funkeln vor, Millionen winziger, funkelnder Punkte vor einem schwarzen Hintergrund, dann haben Sie ein ungefähres Bild von den Sternen.«
    Sie versuchte es, schaffte es aber nicht.
    »Diese Menschen, die dort draußen leben, sind sie glücklicher als wir? Geht es ihnen besser?« Ihre Worte erinnerten mich an Guz' Frage.
    »Das weiß ich nicht.« Ich hatte noch immer keine andere Antwort gefunden. »Hier werden uns alle Sorgen abgenommen, und wir werden beherrscht von einer unsichtbaren Intelligenz. Dort draußen ist es nicht viel anders, aber die Intelligenz lebt in einer riesigen Stadt auf einem Planeten, dessen Oberfläche fast nur aus Städten besteht, und jeder weiß, wer und was diese Intelligenz ist.«
    Wir sprachen noch mehrere Stunden lang. Sie war voller Fragen über Dinge, die sie sich zwar vage vorstellen, aber niemals wirklich verstehen konnte — so wie ein gehörloser Mensch theoretisch das Konzept von Musik begreifen, sie aber niemals erleben kann —, aufgeregt über diese einmalige Gelegenheit, mit einem so exotischen Wesen sprechen zu können. Daß ihr Leben sie langweilte, war mir schon sehr bald klar geworden.
    »Es ist die rasche Vermehrung«, sagte sie. »Jede Generation ist um ein vielfaches zahlreicher als die vorangegangene. Und in der kurzen Zeit bis zum Erwachsensein kann man ihnen nicht viel beibringen. Meine eigenen Kinder sind so anders als ich, daß ich mir kaum noch vorstellen kann, mit ihnen verwandt zu sein. Die alte Lebensweise, der alte Glaube verschwinden mehr und mehr, und wir entfernen uns immer weiter von unseren Ersten.«
    Ich nickte. »Ich weiß nicht, was hier geschaffen wird, aber das Endprodukt ist ein völlig anderes Wesen, das weder ich noch Sie verstehen können. Der alte George und ich haben uns lange darüber unterhalten.«
    »George!« rief sie. »Ich würde ihn so gerne wiedersehen. Es ist so lange her, so ewig lange. Wie geht es ihm?«
    »Gut. Aber er ist ziemlich bedrückt. Genau wie Sie.«
    »Das glaube ich. Er ist mein Vater, müssen Sie wissen. Vielleicht verstehen Sie nun, daß ich oft Sehnsucht nach ihm habe.«
    Ich kam mir ziemlich dumm vor, daß mir das nicht selbst eingefallen war. Da sie zur zweiten Generation gehörte, also Nachkomme der wenigen Menschen war, die bei der Landestelle lebten, bestand große Wahrscheinlichkeit, daß sie zu Georges erster Brut gehörte. »Sie sollten ihn wirklich bald besuchen«, sagte ich.
    »Ich bin sicher, daß er sich darüber freuen würde.«
    Ihre Stimme klang belegt, emotionell vernebelt. » Ich . . . da sind so viele Kinder, um die ich mich kümmern muß — immer wieder Kinder. Und ohne sie könnte ich ihn nicht besuchen.«
    Ich verstand das nicht und sagte es ihr.
    »Es ist — sehr schwer zu erklären. Vater und die anderen — sie gehörten zu einer christlichen Sekte, müssen Sie wissen. Sie haben die Brutperiode noch nicht durchgemacht. Es gibt da kein Ausweichen, kein Denken. Als sie zum zweitenmal kam . . . nun, George war ein Erster, der stärkste von den Ersten. Meine Kinder sind seine Kinder und seine Enkelkinder. Das ist hier völlig normal, aber er ist nicht damit fertig geworden. Es geht gegen seine

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