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Das Netz der Chozen

Titel: Das Netz der Chozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
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Zwecken nutzbar machen können, jedenfalls besser als normales Sehvermögen. Schließlich: wie viele Augen besitzt ein Virus?«
    Ich nickte. Es gab für alles eine logische Erklärung. Intelligente Viren — oder vielleicht ein einziger, riesiger Organismus, der aus unzählig vielen Einzelteilen bestand? Keines der Viren wäre allein in der Lage gewesen, diesen gigantischen Plan durchzuführen. Es mußte für jede Komponente, die sie in uns geschaffen hatten, einen wichtigen Grund geben.
    »George?« Ich hatte einen plötzlichen Einfall.
    »Hmmm?« sagte er verschlafen.
    »Etwas, das so intelligent ist, muß notwendigerweise zählen können, nicht wahr?«
    »Wahrscheinlich«, murmelte er.
    »Und wir vermehren uns so schnell, um das menschliche Erbe aus uns herauszuzüchten — aber auch, um neue Wirte für Viruskolonien zu schaffen, richtig?«
    »Hmmm — hmmm.«
    »Dann müssen sie erkennen, daß wir jetzt die Kapazitätsgrenze dieses Planeten erreicht haben.«
    Er hob überrascht den Kopf. »Mein Gott! Sie haben recht! Und sie sind viel zu intelligent, um es zu einer Katastrophe kommen zu lassen. Das bedeutet, daß sie für uns entweder das Sterben wiederentdecken müssen, oder die Geburten stoppen. Das ist unumgänglich.« Neue Hoffnung lag in seiner Stimme.
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich und versuchte, Schritt für Schritt logisch weiterzudenken. »Damit müßten sie auch ihre eigene rapide fortschreitende Vermehrung begrenzen. Jetzt, wo sie sich die Möglichkeiten dafür geschaffen haben, werden sie sich nicht einschränken. Nein, es muß etwas anderes geben, etwas, das wir bis jetzt übersehen haben.«
    Ich hatte eine andere Idee.
    »Sie müssen wissen, daß wir intelligent sind. Sie müssen wissen, daß wir denken können. Wie Sie eben sagten, können Sie uns innerhalb von Sekunden lobotomisieren. Sie haben etwas anderes vor. Warum haben sie sonst nicht ihre eigenen Tiere benutzt? Warum uns?«
    »Das habe ich mich auch schon oft gefragt«, sagte er. »Ich habe aber keine Antwort darauf gefunden. Ich weiß, daß sie sich dem kritischen Punkt nähern — zu viele Kreaturen, Kreaturen, die Produkte ihrer eigenen Planung und Intelligenz sind, deren Masse jedoch animalisch und ohne Zivilisation ist.«
    »Richtig. Und wenn sie das Verhalten dieser Kreaturen lenken können, und wenn diese Beeinflussung von diesen Kreaturen als normal empfunden wird, was ist das Resultat?«

    »Organische Roboter«, sagte George langsam. »Eine totale Verbindung zweier Lebensformen, die von dem Virus völlig beherrscht wird.«
    »Aber wozu?« fragte ich. Aber darauf fand auch ich keine Antwort.

6
    Die Zeit verging, und ich paßte mich dem Lebensstil von Patmos mehr und mehr an. Es ist erstaunlich, wie anpassungsfähig der menschliche Geist ist.
    Die Bedienung eines Raumschiffes, zum Beispiel, ist eine überaus komplizierte Aufgabe. Sie erfordert gedankliche Kommandos, die oft in Sekundenbruchteilen erfolgen müssen. Immer wieder müssen Entscheidungen getroffen werden, von denen das Leben oft vieler Menschen abhängt, besonders bei Starts, Landungen, Andocken und Parken im Orbit. Während der ersten Wochen im Flugsimulator habe ich immer wieder Fehler gemacht, die in der Realität zu Katastrophen geführt hätten.
    Damals glaubte ich, niemals die Fähigkeiten zu erlernen, den Bordcomputern komplexe Anweisungen geben zu können, während ich gleichzeitig eine Reihe von Sensoren überwachen und ihre Daten erfassen und interpretieren mußte. Doch schon nach einem Monat wurde das nicht nur fast schon zur Routine, sondern ich führte gleichzeitig Unterhaltungen mit Copiloten und Lehrgangskameraden.
    Patmos stellte mich vor ähnliche Aufgaben. Nach sechsunddreißig Jahren Menschseins war ich plötzlich ein vierbeiniges Tier, das sich größtenteils hüpfend fortbewegte, sich mit einem eingebauten Sonar orientierte und eine völlig neue Perzeption der Umwelt bekam, und doch war mir meine neue Daseinsform nach fünf Wochen so natürlich und selbstverständlich, als ob ich in ihr geboren worden wäre. Die Erscheinungsform und Gestalt anderer Lebewesen, die mich noch vor kurzer Zeit amüsiert oder angewidert hätten, empfand ich jetzt als normal, sogar als schön.
    Dieser Anpassungsfähigkeit des Menschen ist es zu verdanken, daß wir die Sterne erreichen konnten, war der Grund dafür, daß es die Chozen hier gab. Aber trotzdem bedrückte mich das Bevölkerungsproblem, genau so wie der starke und unerschütterliche Verdacht, daß es hier

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