Das Netz der Chozen
halten Sie sich fest! Ich werde in den L-Sprung gehen, sobald ich kann.«
Plötzlich war die Angst wieder da, stärker als zuvor, und ich verfluchte meine Schwäche. Durch unseren Funkverkehr hatte ich Moses unseren Standort verraten, und jetzt hatte ich ihn unterbrochen, um auf seine Antwort zu warten. Moses konnte uns jederzeit genau orten, und ich würde dann nicht die Geschwindigkeitsreserve haben, die ich für den L-Sprung brauchte.
»Festhalten!« rief ich George nervös zu.
»Mach ich, so gut es geht«, kam die Antwort von unten.
Ich befahl Höchstbeschleunigung, um einigen Abstand zwischen uns und Moses zu bringen.
Dann stieg ich hinab, auf allen vieren, und klammerte mich so gut es ging an dem Konturensessel fest; in dem ich mich nun nicht mehr festschnallen konnte, und befahl den L-Sprung.
Es ist schwer, den L-Sprung jemandem zu beschreiben, der sich in neueren physikalischen Gesetzen nicht wirklich auskennt. Vor allem muß man wissen, daß es mehr als die vier Di-mensionen gibt, in denen wir leben, und jede von ihnen hat ihre besonderen Eigenschaften. Gemäß der Überlagerung dieser Dimensionen sind wir verschiedenen Gesetzmäßigkeiten unterworfen, die jedoch nur auf die Außenfläche des Schiffes einwirkten, weil in seinem Inneren ein Energiekokon eigene Verhältnisse schafft. Als Igor Kutzmanitov sie durch einen Zufall entdeckte, während er die seltsamen Vorgänge im Einzugsbereich Schwarzer Löcher studierte . . . aber ich fürchte, ich werde schon zu technisch. Beschränken wir uns auf die Tatsache, daß ich durch reine Konzentration meines Willens eine Reihe von Relaisschaltem umlegte und wir dadurch von den Gesetzen der Relativität befreit wurden, während unsere Geschwindigkeit sich potenzierte. Es ist die Voraussetzung für schnelle Flüge, die auf Wochen und Monate reduziert werden, und für die man bei Unterlichtgeschwindigkeiten Jahrhunderte brauchen würde.
Dies würde ein kurzer Sprung werden, und ich mußte sogar abbremsen, als der Computer mich über die exakte Geschwindigkeit im L-Raum informierte, die ich brauchte, um an mein Ziel zu gelangen. Wir befanden uns nicht weit außerhalb des erforschten Raums. Aber Moses würde achtzig Jahre brauchen, um dahin zu gelangen, wo wir in achtzig Stunden sein konnten.
Ich war so selbstzufrieden, daß ich das Warnsignal fast übersehen hätte. Der Computer sagte mir, daß sich eine große Masse rasch näherte. Bei Berücksichtigung unseres Abbremsens mußte sie uns innerhalb weniger Sekunden einholen.
Ich forcierte den L-Sprung.
Die Masse war mit einem Schlag verschwunden. Die Sensoren des Schiffes zeigten sie nicht mehr an. Ich hatte es geschafft, vielleicht dreißig Sekunden, bevor es zu spät war.
Der Sprung ist ein recht eindrucksvolles Erlebnis; ein Schütteln und Stoßen. Ich hörte George aufschreien; aber die enorme Schwerkraft — reine Routine, wenn ich im Konturensessel festgeschnallt war — reichte jetzt, um mich gegen die Armaturen der Hilfsinstrumente zu schleudern. Sie waren natürlich aus Stahl und würden die Kollision überstehen. Aber meine Haut war dafür nicht geeignet, und ich fühlte einige scharfe Kanten in sie eindringen; nicht tief, aber ziemlich schmerzhaft. Ich wußte, daß es nicht lange dauern würde, bis Beulen daraus wurden.
Solche Erfahrungen waren neu für mich. Auf Patmos hatte es keinen Schmerz gegeben, und das Virus sorgte dafür, daß jede Verletzung über Nacht verheilte. Aber durch die Kälte war das Virus jetzt inaktiv, vielleicht sogar tot. Vorsichtig richtete ich mich auf. Mein buschiger Schwanz schien durch den Sturz etwas gelitten zu haben, und mein rechter Hinterlauf war verstaucht.
Ich hoffte, daß er nicht gebrochen war.
»George!« rief ich. »Alles klar?«
»Mir werden die Knochen eine Woche lang weh tun«, rief er zurück, »aber ich denke, ich werde es überleben! Und was ist mit Ihnen?«
»Ein paar Beulen und Schrammen, und ein Hinterlauf ist verstaucht. Verdammt! Ich hatte fast vergessen, wie es ist, wenn man solche Schmerzen hat, und wenn der Schock abklingt, werden sie noch schlimmer.«
George kam in den oberen Teil der Kabine geklettert.
»Ich wünschte, ich könnte sehen«, sagte er, »aber ich werde tun, was ich kann. Ich war so was wie ein Mediziner, wissen Sie, aber ich habe zwanzig Jahre lang nicht mehr praktiziert. Mein Gott! Sie haben ein paar ganz schöne Risse, fühle ich. Etwas Blut, aber nicht viel. Wo haben Sie Ihre Medikamente?«
»An der Wand gleich neben
Weitere Kostenlose Bücher