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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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konnte. Gestank war für die kleinen vierbeinigen Jäger daher mindestens ebenso interessant wie strategische Kriegsführung für die großen Zweibeiner. Stolz verwies man in Iltiskreisen darauf, dass sich selbst die Menschen mit ihren Stinkbomben der mardererprobten Verteidigungstaktik bedienten. Obwohl Stella derart tiefe Einblicke in die Lebensgewohnheiten der Iltisse bisher versagt geblieben waren, hatte sie doch instinktiv genau den richtigen Ton angeschlagen. So war die kurzzeitige Verstimmung zwischen ihr und Sesa Mina schneller verflogen als des Frettchens penetranter Körpergeruch.
    Unbehelligt gelangten die illegalen Besucher Amicos in das alte Hafenviertel, das Sesa Mina als geeigneten Landeplatz auserkoren hatte. Stella versteckte ihr Gefährt in einer finsteren Unterführung, deren dräuende Schatten höchstens eine Fledermaus zu durchdringen vermochte. Von dort gelangte sie, von Sesa Mina geführt, über eine Treppe in den eigentlichen Hafenbezirk.
    Die Lagerhäuser hier waren schon teilweise zerfallen. Stella marschierte forschen Schrittes an den Giebelseiten der Gebäude entlang, als ginge sie gerade irgendwelchen dringenden Geschäften nach. Am Ende der Mole tat sich ein breiteres Hafenbecken auf, von dem zahlreiche andere Kanäle abzweigten. Hier tauchten die beiden in der Menschenmenge unter.
    Am Kai herrschte eine geradezu tumultuöse Betriebsamkeit. Von Patronen aller Größenordnungen wurden Güter entladen – Lebensmittel, Holz, Werkzeuge und Waren des täglichen Bedarfs –, während man gleich daneben andere Wassertransporter mit den Reichtümern der Stadt belud: Edelsteine.
    Stella blieb staunend vor einer der großen Transportpatronen stehen, deren zwölf oder mehr Luken alle zur Wasserseite hin hochgeklappt waren. Ungläubig blickte sie in den Laderaum – und dann zu den Zwillingstürmen hinüber, die von jeder Stelle der Stadt aus zu sehen waren. Mit einem Mal wurde ihr klar, was da so glitzerte: Es waren tatsächlich alle möglichen kostbaren Pretiosen, die diese Wahrzeichen Amicos schmückten.
    Jemand rempelte Stella von hinten an und setzte damit ihrem Staunen unsanft ein Ende. Sie schreckte zusammen, aber es war nur ein Träger mit einem Stoffballen gewesen, der sich für seine Unachtsamkeit nicht einmal entschuldigt hatte, sondern bereits zielstrebig auf eine der Hafengassen zusteuerte. Stella ging ihm einfach hinterher.
    »Wo läufst du eigentlich hin?«, fragte Sesa Mina, nachdem sie sich von Stella eine Zeit lang hatte herumtragen lassen.
    »Ich suche dieses Kagee .«
    »Was du nicht sagst. Und wie gedenkst du es zu finden? Etwa indem du alle siebenhundertsiebenundsiebzig Straßen dieser Stadt in voller Länge abschreitest?«
    Stella blieb unverwandt stehen. »Hast du etwa eine bessere Idee?«
    »Ja, die habe ich. Schließlich bin ich ein Frettchen.«
    Stella warf den Kopf zurück und die Arme in die Luft. »Jetzt geht das schon wieder los! Willst du mich etwa wieder in irgendein stinkendes Loch locken?«
    »Was hast du gegen stinkende Löcher?«
    »Jetzt mal ehrlich, Mina. Wenn dein Frettchenverstand einen Weg kennt, uns möglichst schnell wieder samt Schattenwort aus dieser Stadt, die mir ganz und gar nicht geheuer ist, herauszubringen, dann…«
    »Warte einen Moment da drüben unter dem Baum. Ich bin bald wieder da.«
    Stella seufzte. Ihre quirlige Freundin hatte ihr nicht einmal Zeit gelassen, Ja zu sagen. Sie war einfach wie ein Blitz davongeschossen.
    Zumindest hatte Sesa Mina einen angemessenen Ruheplatz für sie ausgesucht. Der besagte Baum war nämlich ein hohes, wohl schon mehrere hundert Jahre altes Lorbeergewächs, das einen weiten Schatten warf und an ein niedriges Mäuerchen gelehnt stand. Stella ließ sich auf dieser Brüstung nieder, krempelte die Ärmel ihres Leinenhemdes hoch und dachte darüber nach, wie lange sie das Frettchen diesmal wohl würde warten lassen.
    Unerwartet bald jedoch kehrte Sesa Mina zurück.
    »Sag bloß, du hast das Kagee schon gefunden?«
    »Du solltest nicht unverschämt werden«, antwortete Sesa Mina. »Ich bin zwar ein außergewöhnliches Frettchen, aber noch lange keine Hellseherin.«
    »Und warum bist du dann so schnell zurückgekommen?«
    »Weil mir mein Instinkt sagt, wo wir suchen müssen. Ich bin mir sogar fast sicher, dass wir dort fündig werden.«
    »Ach.«
    »Das Kagee ist die Stecknadel und der Ort, den ich entdeckt habe, der passende Heuhaufen dazu.«
     
     
    Der »Heuhaufen« entpuppte sich dann doch als ein etwas

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