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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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niemals – in freier Landschaft kreuzten. Vielmehr musste so gut wie jeder Reisende eine Reihe von Relaisstationen passieren, wo er auf einen anderen Wasserweg überwechseln und so seine Richtung ändern konnte. Manchmal handelte es sich hierbei nur um kleine, schwach bemannte Festungswerke, die mit dicken Mauern der unbarmherzigen Öde trotzten. Niemand hielt sich länger als nötig in diesen wenig anheimelnden Orten auf.
    Auch Stella passierte die verschiedenen Knotenpunkte im weitläufigen Wasserstraßennetz Illusions ohne längere Pausen. Die Kontrolleure der Relaisstationen waren gegenüber Durchreisenden erheblich großzügiger als die der großen Städte. Dem eigenen Berufsethos entsprechend versagten zwar auch sie sich jede Form der Freundlichkeit, doch versorgten sie die Reisenden wenigstens mit kleinen Zettelchen, auf welchen die Namen der nächstgelegenen Zwischenstopps standen. Auf diese Weise konnte man sich in dem labyrinthischen Straßennetz Illusions praktisch nicht verirren.
    Schließlich erreichte auch Stella sicher ihren Zielort. Die ganze Fahrt bis unter die Stadtmauern Amicos schien ihr nur wenige Augenblicke gedauert zu haben. Jetzt musste sie nur noch in den Ort gelangen. Sie erinnerte sich an das Pergament in ihrem Gepäck. Der sich hinter einem nichts sagenden X verbergende Schreiber vom Bund des Lindwurmes hatte ihr geraten, die Stadt besser heimlich zu betreten.
    Amico besaß wenig von dem Glanz Enesas. Es gab nur drei Bauwerke, die man überhaupt aus der Ferne erkennen konnte. Am auffälligsten waren noch die beiden Zwillingstürme. Sie glitzerten in einem vielfarbigen Schimmer, als bestünden sie aus Edelsteinen. Ihre Silhouette wirkte auf Stella fremdartig, ja geradezu exotisch. Die funkelnden Türme glichen aufgespießten, grotesk in die Länge gezogenen Zwiebeln. Neben den Zwillingsbauten, gerade noch zu erahnen, erhob sich ein dritter Turm. Im Schatten der beiden Riesen wirkte er beinahe wie ein Zwerg. Dennoch überragte auch er die übrigen Gebäude der Stadt um ein Vielfaches, wirkte sonst aber so breit und plump, dass man bald uninteressiert den Blick von ihm abwandte. Ansonsten mutete Amico fast so trostlos und trutzig an wie die Wüstenfestungen der Relaisstationen.
    Stella hatte inzwischen ihre Patrone in den breiten Wassergraben gelenkt, der Amico wie ein glitzernder Reif umspannte. Sie hoffte, dass dieses Manöver unbemerkt geblieben war, denn vor den drei Wassertoren der Stadt hatte sich eine lange Reihe von Patronen gebildet, deren Insassen ihre ganze Aufmerksamkeit dem Treiben der Kontrolleure widmeten.
    Die ähnlich wie in Enesa geharnischten Männer schienen ihrer Pflicht hier sogar mit noch mehr Hingabe nachzugehen. Ein beängstigender Gedanke zuckte durch Stellas Kopf: War man etwa bereits auf der Suche nach ihr? Oder – wenn schon nicht sie selbst es war, der dieser »aufmerksame« Empfang galt – hatte man eine Warnung vor möglichen Spionen erhalten?
    »Jetzt ist guter Rat teuer«, murmelte Stella vor sich hin. Doch, als habe sie nur darauf gewartet, meldete sich Sesa Mina von ihrem Schoß zu Wort.
    »Wozu hast du denn mich?«
    »Was…? Wie meinst du das?«
    »Ein Frettchen findet überall einen Spalt, durch den es schlüpfen kann!«
    »Und wie stellst du dir vor, soll ich dann hinterherkommen?« Stella blickte an sich herab. »Schließlich bin ich kein Iltis! Wenn es irgendwo eine Hintertür gäbe oder… oder…«
    »Einen Tunnel?«, schlug Sesa Mina vor.
    »Ja. Etwas Ähnliches eben.«
    »Das dürfte kein Problem sein. Zuvor müsstest du mich allerdings rauslassen.«
    Stella steuerte ihre Patrone ganz dicht an die Stadtmauer heran und öffnete durch einen sanften Druck mit der Hand die noch eben unsichtbare Luke.
    Die Stadtmauer war umgeben von einer felsigen Böschung, Sesa Mina kam also nicht in Kontakt mit dem glühenden Wall. Das Frettchen sprang aus der Patrone und eilte mit fließenden Bewegungen davon, ein in der Sonne glänzender Quecksilbertropfen.
    Stella wartete. Die Zeit verging und allmählich wurde sie unruhig. Je länger sie in ihrer geöffneten Patrone unter der rot glühenden Mauer dümpelte, desto größer erschien ihr die Gefahr der Entdeckung. Nur einen Bogenschuss entfernt ragte ein Wachturm auf, dessen obere Stockwerke frei von Feuer waren. Es musste nur irgendein Posten auf die Idee kommen, von dort aus herunterzuschauen…
    Endlich! Nach scheinbar endlosem Warten, kehrte Sesa Mina zurück. Ihr Fell war nass und das Frettchen wirkte

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