Das Netz der Schattenspiele
hat. Ich finde das nicht sehr kooperativ, Professor!«
»Wie wär’s, wenn Sie das meiner Tochter sagten? Ich stecke doch nicht unter diesem Helm da.«
Während er noch mit der Hand zu dem Intruder-Stuhl hinter der Scheibe deutete, kam Leben ins Labor. Mehrere Monitore waren plötzlich schwarz geworden. Die Techniker klimperten hektisch auf ihren Computertastaturen herum, lasen Anzeigen ab und machten neue Eingaben. Gwen schob sich, auf einem rollenbewehrten Bürostuhl sitzend, mit den Füßen neben die Cybernautin.
Aus dem Lautsprecher des Beobachterraums dröhnte ihre kräftige Stimme. Für Mark klang es fast wie Engelsgesang.
»Unserer Cybernautin geht’s gut. Stella wird jeden Moment aufwachen. Wir allerdings haben hier ein kleines Problem.«
DAS PROTOKOLL
Geräusche drangen wie durch dicke Watte an Stellas Ohr. Da waren Stimmen, die geschäftig unverständliche Worte wie Pingpongbälle hin und her schossen. Dazwischen einzelne Pieptöne. Jemand machte sich an ihrem Kopf zu schaffen. Im nächsten Moment spürte sie, wie frische Luft ihr Gesicht umfächelte.
»Endstation, alles aussteigen«, rief eine kräftige Frauenstimme. »Komm schon, Kindchen. Deine Reise ist hier zu Ende. Zeit für einen Hot Dog.«
Stella hielt die Augen noch immer geschlossen. Sie fühlte sich unendlich müde. Eine andere Stimme drang an ihr Ohr. Sie gehörte einem Mann.
»Versuchen Sie es einmal mit Pizza.«
»Wie bitte?«
»Stella würde für eine Pizza einen Krieg anzetteln.«
»Professor Kalder, ich glaube nicht…«
»Sternchen«, unterbrach Salomons Stimme die von Gwen, »ich bestelle dir die dickste Pizza Frutti di Mare von ganz Maryland, aber bitte mach jetzt die Augen auf.«
Stella war der besorgte Unterton in der Stimme ihres Vaters nicht entgangen und deshalb tat sie ihm den Gefallen. Mühsam, als müsse sie bleierne Schotte bewegen, öffnete sie die Augen. Alles war verschwommen. Den Versuch, ihren Kopf anzuheben, gab sie gleich wieder auf. Ein heftiges Schwindelgefühl ließ ungute Erinnerungen an erst kürzlich durchlebte Unbilden in ihr aufsteigen.
»Sie ist wach!«, rief Gwen verzückt. Sie schlug ihre Hände vor der Brust zusammen und beugte ihr stark geschminktes Gesicht zu Stella hinab.
»Gab es denn einen Grund, daran zu zweifeln?«, fragte Salomon misstrauisch.
»Unsinn, Professorchen. Es ist nur immer eine Frage der Zeit. Sie wird jetzt sehr erschöpft sein und vermutlich gleich wieder einschlafen. Aber das ist völlig normal.«
Jetzt konnte Stella das Make-up-Testfeld an der Vorderseite von Gwens Kopf deutlich erkennen. Sie lächelte, obwohl es ihr noch schwer fiel. Dann drehte sie den Kopf nach rechts, streifte kurz die unzufrieden wirkende Miene DiCampos, um gleich darauf das sorgenvolle Gesicht ihres Vaters zu entdecken.
Für einen Moment schien es ihr, als trüge er einen altertümlichen Hut mit einer langen Feder, aber nach einem kurzen Schließen der Augen und einem Kopfschütteln sah er aus wie immer.
»Wie geht’s dir, Sternchen?«
»War ziemlich anstrengend«, antwortete Stella und zwang sich zu einem Lächeln.
»Mir wäre wohler, du würdest Fußball spielen und dich dabei verausgaben. Ich wünschte, wir hätten diese Geschichte schon hinter uns.«
»Es geht schon«, beruhigte Stella ihren Vater. Sie musste an die vielen Unglücksfälle in aller Welt denken. Salomon hatte ihr zwar erklärt, dass sie keine Schuld daran trage, aber das Gefühl sagte ihr etwas anderes. Ein bisschen Übelkeit war da der geringste Einsatz in diesem Katastrophenspiel.
Wenig später trat ein Arzt an den Cybernautenstuhl heran. Stella hatte ihn schon früher gesehen, war sich aber über seine Funktion nicht im Klaren gewesen. Er stellte sich schmunzelnd als Gerry Gerrit vor und gratulierte Stella zu ihrer ersten, immerhin fast fünfstündigen Cyberspace-Reise. Er wolle sie untersuchen. Reine Routinesache. Völlig schmerzlos.
Mit tief gefurchter Stirn ließ Salomon den Arzt gewähren. Dr. Gerrit maß Stellas Blutdruck, nahm ihren Puls, testete ihre Reflexe und stellte noch einige andere Untersuchungen an, allesamt harmlos und allesamt begleitet von seinem leicht künstlich wirkenden Lächeln. Ob sie sich irgendwie unwohl fühle, wollte der Arzt wissen. Stella wies ihn auf die Dumpfheit in ihrem Kopf während der Aufwachphase hin. Auch auf das Schwindelgefühl. Gerrit nickte. Kein Anlass zur Sorge. Eine harmlose Nebenerscheinung der Droge.
»Siehst du«, sagte Stella zu Salomon und dabei
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