Das Netz der Schattenspiele
sondern kam im Gegenteil erst richtig in Fahrt. »Sie, Professor Kalder, haben doch Ihr SKULL in unser Netzwerk eingebaut, um die Cyberterroristen abzuwehren. Und nun versagt Ihr Sicherheitssystem schon bei seiner ersten Bewährungsprobe. Ich fühle mich versucht, diesen Vorfall als Sabotage aufzufassen.«
»Erstens«, antwortete Mark bedrohlich ruhig, »sind Sie keineswegs nun im Besitz meines SKULL-Systems, Doktor. Ich weiß, wie gerne Sie meine gesamte Software eingehend unter die Lupe nehmen würden, aber die Gelegenheit dazu werden Sie von mir nicht bekommen. Sie wollten, dass der Kagee -Mutant nicht in Ihr System einbrechen kann, und dafür habe ich gesorgt…«
»Und was hat dann Ihre Tochter vorhin veranstaltet?«
»Da sie am Intruder hing, befand sie sich bereits in Ihrem System. Sie musste also nicht erst dort einbrechen. Das ist der zweite Punkt, der Ihren Sabotagevorwurf ad absurdum führt. Was da vor wenigen Minuten Ihrem Labornetz widerfahren ist, nennt man einen Denial-of-Service-Angriff. Dabei werden keine Daten gestohlen und meist auch nicht zerstört. Lediglich der Server wird zum Absturz gebracht…«
»Lediglich?«, wiederholte DiCampo erbost. »Ihr reizendes Töchterchen hat soeben das Rechnernetz einer streng geheimen US-Behörde mit noch geheimeren Forschungsdaten gegen den Baum gefahren. Sie sollten das nicht verharmlosen, Professor Kalder!«
»Unterbrechen Sie mich bitte nicht ständig«, erwiderte Mark beherrscht. »Soweit ich in der Kürze der Zeit in Erfahrung bringen konnte, hat der SKULL-Tester Ihrem Server ein Ping of Death mit einem ungewöhnlich großen Datenpaket geschickt.« Ein Anflug von Schadenfreude stahl sich auf Marks Gesicht. »Ihr Rechner hat sich einfach daran verschluckt und dann ist ihm die Luft ausgegangen.«
»Ihre Vergleiche können Sie sich sparen. Mir ist ganz und gar nicht zum Spaßen zumute, Professor. Sorgen Sie dafür, dass so etwas nicht mehr vorkommt.«
Mark erhob sich demonstrativ aus seinem Sessel. »Ich bin keiner Ihrer Zuarbeiter oder Schnüffler, Dr. DiCampo. Denen können Sie Kommandos hinwerfen und Rapport verlangen. Ich jedenfalls werde nicht Ihr Computersystem gegen solch simple Angriffe schützen. Ihr ehrenwertes Unternehmen benutzt doch selbst diese Techniken, um den ›Feinden‹, wie Sie sie nennen, ins Handwerk zu pfuschen. Stella hat eine eklatante Sicherheitslücke in Ihrem Netzwerk aufgedeckt. Na und? Sie müssten ihr dafür danken, anstatt sie zu beschimpfen. Und jetzt gehe ich.«
»Mark! Mark, bitte nicht«, fuhr Agaf dazwischen. Er war aufgesprungen und versuchte die beiden Streithähne zu beschwichtigen. »Bitte bedenken Sie doch die Folgen. Während wir uns hier die Köpfe einschlagen, könnte der Cyberwurm schon wieder aktiv werden. Solange er nur Messen des Papstes oder jüdische Gebetstexte für die Klagemauer sabotiert, mag das noch vergleichsweise harmlos sein, aber was wird, wenn morgen in New York der gesamte Strom ausfällt oder noch Schlimmeres passiert?«
Mark sah zu DiCampo hin, der sich allmählich zu beruhigen schien. Dann blickte er in das Gesicht des Teamleiters. Er hatte den Afrikaner schätzen gelernt. Um Agafs willen lenkte er ein.
»Gut, dann haben Sie sicher nichts dagegen, wenn wir uns jetzt endlich den drängenderen Fragen widmen«, sagte DiCampo. Er ging zu seinem Schreibtisch, griff sich einen Packen Papier und ließ ihn gleich darauf auf den runden Besprechungstisch vor Mark und Nbugu klatschen.
»Dies hier«, sagte er dramatisch, »ist ein Auszug aus Stellas Reiseprotokoll. Ich habe einen meiner Spezialisten gebeten, nur die Dialoge herauszufiltern, die Ihre Tochter im Chat von Blaxxun geführt hat. Wie Sie selbst sehen, Professor, ist das, was dort steht, kein Englisch. Mein Sicherheitschef Walter Friedman hat mir erzählt, es sei auch kein Deutsch. Aber was, um Himmels willen, ist es dann, Professor?«
Mark zog die Blätter zu sich heran und warf nur einen kurzen Blick darauf. Im Gegensatz zu DiCampo war er diesem Dialog ja schon online gefolgt, vorhin, als Stella noch unter dem Intruder-Helm gesteckt hatte. Abgesehen von der Gesprächseröffnung in jener kindlichen »Geheimsprache«, mit der Stella ihren Eltern vor Jahren auf die Nerven gefallen war, konnte er damit auch nichts anfangen. Er schob die Papiere zu Agaf weiter und schüttelte den Kopf.
»Tut mir Leid, Doktor. Ich kann das ebenso wenig lesen wie Sie.« Das war zwar nur die halbe Wahrheit, aber Stella musste das Kauderwelsch mit voller
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