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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wird erst jetzt so richtig bewusst, wie selbstverständlich man hier den Schutz der eigenen Klientel vernachlässigt.«
    »Ihr Wort in Billy Boys Gehörgang, Agaf! Ich finde, er hätte seine Firma besser Microzojff nennen sollen – da wüssten die Leute wenigstens, woran sie sind. Wenn Sie jedenfalls das nächste Mal im UN-Gebäude ihr Windows-Betriebssystem aus dem Netz starten, dann achten Sie doch einmal darauf, ob es da nicht auch irgendwo ein offenes Scheunentor gibt. Aber fühlen Sie sich nicht zu sicher, wenn Sie dieses zuschlagen.«
    »Was wollen Sie denn damit schon wieder sagen?«
    »Nun, möglicherweise hat jemand in der Zwischenzeit einen Hintereingang benutzt, um einen Trojaner zu installieren. Das sind nun wirklich ganz gemeine Dinger. Sie wirken wie völlig harmlose Progrämmchen, können aber, ohne dass Sie es merken, körbeweise Daten aus Ihrem Rechner herausschaffen. Es gibt bei den heutigen Computern einfach noch viel zu viele unverschlossene Hintertürchen, hakelige Schlösser, offene Fenster, um den Wortschatz eines Einbrechers zu verwenden.«
    »Und an diesen Schwachstellen setzen Sie Ihren Hebel an«, kombinierte Agaf.
    Mark nickte. Diesmal gelang es ihm sogar, einen Schluck Kaffee zu trinken, ohne sich gleich die Zunge zu verbrennen. »Das Standardrepertoire des Hackers ist vielfältig. An Einbruchsvarianten in einen Rechner gibt es zum Beispiel den IMAP-Angriff, das IP Spoofing, das Ping Sweep oder das TCP/IP Hijacking, um nur einige zu nennen. Für einen Denial-of-Service-Angriff – also ein Eindringen mit dem Ziel, den fremden Rechner zum Absturz zu bringen – reicht heute sogar oft noch eine simple Sync Attack oder ein schnöder Ping of Death. Was soll ich Ihnen näher erklären?«
    »Schon gut, schon gut«, wehrte Agaf mit erhobenen Händen ab. »Sie haben mich in meine Grenzen verwiesen. Ich kapituliere. Was ich nur nicht verstehe: Wenn all dieses unverständliche Zeug, das Sie da eben aufgezählt haben, für einen Hacker schon überholt ist, weshalb schielt die NSA dann so begehrlich auf Ihr Programm?«
    Mark lächelte geheimnisvoll. »Es ist leicht, an einer Orgel alle Register zu ziehen, aber deshalb gibt es noch lange keinen harmonischen Klang.«
    »Verstehe. Es kommt also auf den Spieler an. Na, Sie, Mark, scheinen jedenfalls zu wissen, wie man mit der Klaviatur eines Hackers umgeht.«
    »Sagen wir, ich übe schon eine ganze Weile daran.«
    Bevor Agaf noch etwas erwidern konnte, kam Benjamin Bernstein den Flur heruntergelaufen.
    »Was ist, Benny?«, erkundigte sich Mark besorgt.
    »Keine Panik, Professor, nichts geschehen. Jedenfalls noch nicht. Kimiko schickt mich. Ich soll Ihnen ausrichten, die Monitore zeigen wieder neue Daten – Stella ist erwacht.«
     
     
    Wenn man nur schnell genug lesen konnte, dann verriet das über den Monitor huschende Reiseprotokoll einiges über Stellas Aktivitäten im Cyberspace. Sie setzte ihre Reise dort fort, wo sie sie etwa zwanzig Minuten zuvor unterbrochen hatte, im Server von America Online, besser bekannt unter dem Kürzel AOL.
    DiCampo hatte sich noch nicht wieder im Beobachterzimmer eingefunden. Für ihn musste das Mitverfolgen von Cyberreisen fast schon zur Routine gehören. Mark konnte es dem Projektleiter nicht verübeln, wenn er sich mit seiner Rückkehr hinter die getönte Glasscheibe des Intruder-Labors Zeit ließ.
    Als Stella wenig später den Server der kalifornischen Softwarefirma Blaxxun aufsuchte, wurde es am Bildschirm lebendig. Offenbar war sie in ein graphisches Chat hineingeraten. Mark konnte verschiedene, teilweise ziemlich bizarre Avatare sehen. Dann traf sie auf ein geflügeltes Mädchen in einer Art Weltraumanzug. Der Dialog zwischen den beiden ging schon nach wenigen Sätzen in ein unverständliches Kauderwelsch über. Mark erinnerte sich dunkel an Stellas Kindheit. Damals hatte sie manchmal in ähnlicher Weise gesprochen und sich immer diebisch gefreut, wenn sie niemand verstehen konnte.
    Mehrere Minuten lang zeichnete nun das Reiselogbuch nur kryptische Wortfolgen auf. Dann verließ Stella den Blaxxun-Server wieder, beinahe überstürzt, hatte Mark den Eindruck.
    In diesem Moment betrat DiCampo wieder das Beobachterzimmer und setzte sich auf einen freien Platz hinter Stellas Vater. »Wie ich höre, hat sie noch nichts Nennenswertes erreicht.«
    »Dann wissen Sie mehr als ich«, antwortete Mark.
    »Ein Mitarbeiter hat mir eben berichtet, dass sich Ihre Tochter im Server von Blaxxun einer Art Geheimsprache bedient

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