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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wirkte sie weniger besorgt als er. »Jetzt mache ich noch ein kleines Nickerchen und dann musst du dein Versprechen einhalten.«
    Salomon blickte sie fragend an.
    »Den Spaziergang. Etwa schon vergessen? Heute Abend wolltest du mich für mindestens eine Stunde aus diesem Kerker hier befreien.«
    Salomon lächelte erleichtert. »Wenn du schon wieder daran denken kannst, dann bin ich ja beruhigt. Ich hatte mir schon ernstlich Sorgen um dich gemacht.«
    »Wirklich?« Stella hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt, ihren Vater über die eigenen Gefühle sprechen zu hören. Aber offenbar lag ihm tatsächlich etwas an ihr und das tat ihr gut. Sie schloss wieder die Augen und sagte: »Ich bin wahnsinnig müde! Bringst du mich ins Bett?«
    Salomon ließ es sich nicht nehmen, seine Tochter eigenhändig auf eine fahrbare Liege zu betten und sie in den höher gelegenen Wohntrakt des Laborbunkers zu schieben. Mit geschlossenen Augen hörte sie, wie DiCampo ihren Vater aufforderte, schnellstens in sein Büro zu kommen. Die Stimme des Italieners klang angespannt. War irgendwas schief gelaufen?
    Bis zur Tür ihres Quartiers wurden Salomon und Stella von Agaf und Kimiko begleitet. Für die beiden öffnete Stella sogar noch einmal ihre Augen.
    »Nett, dass ihr euch um mich sorgt«, sagte sie, ganz jede Förmlichkeit vergessend.
    »Wir wollen genauso wenig wie dein Vater, dass dir etwas passiert«, antwortete Agaf und legte seine schwarze Hand auf diejenige Stellas.
    »Du hast dich tapfer gehalten«, fügte Kimiko hinzu. »Ich glaube, deine erste Reise in den Cyberspace war ein voller Erfolg.«
    Stellas eigene Einschätzung deckte sich zwar nicht ganz mit der Kimikos, aber das ließ sich später immer noch klären. Im Augenblick war sie viel zu erschöpft.
    Sobald Salomon sie in ihr Bett gelegt und zugedeckt hatte, fiel sie in einen traumlosen Schlaf.
     
     
    »Diese erste Reise besagt noch gar nichts. Sie war mehr ein Test, als dass sie uns brauchbare Ergebnisse geliefert hätte.«
    DiCampo schritt in seinem Büro auf und ab, als wolle er für den nächsten Marathonlauf trainieren. Sein Gesicht war rot vor Wut und seine Hände waren zu Fäusten geballt.
    »Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie das so aus der Fassung gebracht hat, Dr. DiCampo«, meinte Agaf gelassen. »Immerhin hat Stella einen kodierten Text aufgespürt, an dem sich unsere Analytiker jetzt die Zähne ausbeißen dürfen. Wenn Sie mich fragen, dann war Stellas erste Mission sehr erfolgreich und das, obwohl Sie das Mädchen mehr oder weniger unvorbereitet auf die Reise in den Cyberspace geschickt haben. Mich würde übrigens interessieren, was Sie zu dieser Eile getrieben hat.«
    »Ich habe mich sehr wohl im Griff«, knurrte der Projektleiter hinter zusammengebissenen Zähnen. Agafs letzte Bemerkung überhörte er geflissentlich. »Aber immerhin hat dieses… Kind unser gesamtes Labornetz zum Absturz gebracht.«
    Mark gab sich alle Mühe, sein Vergnügen über diesen Vorfall nicht allzu offenkundig werden zu lassen. Tatsächlich hatte Stella kurz vor Ende ihrer Reise den Intruder-Rechner und das gesamte Netzwerk des Baus 203 zusammenbrechen lassen. Das lag nun über eine Stunde zurück. Im Augenblick – es war jetzt bald vier Uhr – schlief sie noch, Mark wusste also genauso wenig wie DiCampo, was hinter dieser Attacke steckte. Kimiko würde im Büro des Intruder-Projektleiters anrufen, sobald Stella aus dem Schlaf erwachte.
    Das Reiselogbuch enthielt nach erster Prüfung keine Hinweise auf den Grund ihres Handelns, dafür aber umso mehr unverständliche Chat-Dialoge. Letzteres war für DiCampo ein zusätzliches Ärgernis, aber er musste sich wie alle anderen gedulden, bis Stella erwacht war. Mark hatte gerade noch einmal seine Funktion als Mittler zwischen dem Team und seiner Tochter unterstrichen. Erst wenn Stella ihm die eigenen Traumeindrücke geschildert hatte, würde sich aus ihnen und den Logbucheintragungen ein brauchbares Bild zusammensetzen lassen, über das sich wiederum die Analytiker die Köpfe zerbrechen konnten.
    Mark gefiel es nicht, wie DiCampo das Wort »Kind« betont hatte, deshalb schaltete er sich nun seinerseits ein. Seine Stimme klang schneidend, als er sagte: »Darf ich Sie daran erinnern, es war Ihre Idee, dieses Kind an den Intruder anzustöpseln. Ich war von Anfang an dagegen. Wenn Sie dieses Unternehmen abbrechen wollen – bitte schön.«
    Zu Marks Erstaunen gab der Italiener nun nicht wie bei früheren Gelegenheiten klein bei,

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