Das Netz der Schattenspiele
gefährlich war der Intruder wirklich? Mark hatte das Ding nie für ein niedliches Technikspielzeug gehalten, aber auch nicht gerade für eine virtuelle Splitterbombe. Er würde wohl nie weiterkommen, wenn es ihm nicht endlich gelang, über den Intruder ein paar harte Fakten in Erfahrung zu bringen.
Mark kontrollierte noch einmal die Bildschirmanzeigen auf seinem Computer. Dann nickte er zufrieden. Das Kalder-Quartier sandte Nowoges in die Leitung der Abhöranlage. Er steckte eine SmartCard in das zweite Notebook, wodurch er unverschlüsselten Zugang zu diesem erhielt, aktivierte verschiedene Monitorprogramme und lehnte sich abwartend zurück.
»So, amico mio, wollen doch mal sehen, was du da vor mir geheim halten wolltest.«
Das Telefon und der Computer des Intruder-Projektleiters schienen ihm für seinen Fischzug wie geschaffen. Möglicherweise betrieb der Projektleiter seine Spielchen ja von irgendeinem der zahlreichen Laborräume aus… Aber vielleicht war das Intruder-Team auch gar nicht – wie von Mark zunächst vermutet – die auf seine geheimen Machenschaften eingeschworene Gemeinschaft. Warum sonst hatte DiCampo das Drängen des Arztes in Gegenwart von so vielen anderen Teammitgliedern derart brüsk zurückgewiesen?
Mark wartete. Seine Hände waren wie zum Gebet vor dem Mund zusammengelegt. Ab und zu berührten die Finger seine Lippen. Die Überwachungsprogramme in seinem Notebook würden sofort anschlagen, wenn DiCampo telefonierte oder sich in das Intruder-Netz verirrte.
Kaum fünf Minuten später kam der Alarm. Jemand hatte DiCampos Telefonnummer angewählt. Mark setzte den Kopfhörer auf. Die Tonaufzeichnung wurde automatisch aktiviert.
Der Italiener hob den Hörer ab. »Ja?«
»Gerrit hier.«
»Sprechen Sie, Doktor. Jetzt sind wir ungestört.«
»Wir sollten das Experiment abbrechen«, sagte der Mediziner. Seine Stimme klang eindringlich, ja besorgt.
»Was reden Sie da?«, blaffte DiCampo.
»Es ist zu riskant. Ich bin mit den medizinischen Daten nicht zufrieden.«
»Nicht zufrieden? Sie sagten, Sie seien nicht zufrieden?«, herrschte der Projektleiter den Arzt an. »Sie wissen wohl nicht, was wir hier tun, Dr. Gerrit. Dies ist keine Erprobung irgendeines Schlafmittels, sondern ein Spezialeinsatz zur Rettung der Welt.«
»Dr. DiCampo, mir ist durchaus bewusst, dass es sich hier nicht um einen Medikamententest handelt. Sie wissen so gut wie ich, dass es schon zwei Unfälle gegeben hat. Wir können nicht so tun, als sei nichts passiert. Als medizinischer Leiter dieses Unternehmens halte ich es für unverantwortlich…«
»Die Verantwortung für dieses Unternehmen trage ich«, fiel DiCampo seinem Chefmediziner wütend ins Wort und setzte schroff hinzu: »Sollte ich ein zweites Mal eine derartige Äußerung von Ihnen hören, Doktor, sähe ich mich gezwungen, Sie vom Dienst zu suspendieren. Natürlich müsste ich Sie dann in Gewahrsam nehmen lassen, bis der Einsatz des Cyberworm-Teams beendet ist. Denken Sie also noch einmal in Ruhe über alles nach.«
Ein Klicken und das Gespräch war beendet. Mark hatte das kurze, aber heftige Telefonat atemlos verfolgt. Jetzt ließ er sich schwer in den Stuhl zurücksinken. Sein Blick war auf die Anzeigen des Flüssigkristallbildschirms gerichtet.
Dr. Gerrit hatte von zwei Unfällen gesprochen! Seine Forderung das Experiment abzubrechen war ohne Frage ernst gemeint. Und doch: Zu keinem Zeitpunkt hatte er DiCampo gegenüber das Wort Intruder erwähnt. Aber konnte es einen Zweifel geben, dass mit dem »Experiment« Stellas Cyberspace-Reisen gemeint waren?
Eine unbändige Wut stieg in Mark auf. Er hatte diesem Italiener nie getraut, aber dass er sogar ein Kind in Gefahr bringen würde, um irgendwelche undurchsichtigen Ziele zu verfolgen, so weit war sein Misstrauen nicht gegangen. Er klappte seine Notebooks zusammen, entfernte hastig die Anschlüsse des geheimen Netzzugangs und stürzte aus dem Zimmer.
Zwei Türen weiter donnerte er auf dem Flur an Kimikos Tür.
»Was ist?«, fragte die Japanerin verwirrt beim Öffnen.
»Später«, antwortete Mark knapp. »Kannst du bitte auf Stella aufpassen? Die Tür zu unserem Quartier steht offen.«
»Aber wo willst du hin?«, rief Kimiko Mark hinterher, der schon auf dem Weg zum Treppenhaus war.
»Ich habe mit jemandem ein Hühnchen zu rupfen. Die Haut werde ich ihm wohl auch gleich abziehen.«
»Wem denn…?« Kimikos Frage ging im Knallen der schweren Feuerschutztür unter.
Marks Faust hämmerte gegen
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