Das Netz der Schattenspiele
DiCampos Bürotür. Ohne den elektronischen Pförtner hätte er dem Projektleiter längst auf den Zehenspitzen gestanden.
Als die Tür sich öffnete, fauchte er DiCampo an: »Ich möchte jetzt die Wahrheit von Ihnen erfahren.«
Der Projektleiter wich erschrocken vor dem wutschäumenden Vater zurück. Der Mann schien zu allem fähig. »Beruhigen Sie sich doch erst einmal, Professor. Kommen Sie, nehmen Sie Platz und erzählen Sie mir, was Sie so in Rage versetzt hat.«
Mark trat zwar ins Büro, war jedoch viel zu erregt, um sich setzen zu können. Mit vorgebeugtem Oberkörper schrie er den Projektleiter an: »Ich werde Sie ins Gefängnis bringen, Doktor. Für das, was Sie da mit meiner Tochter angestellt haben, ist Verbrechen noch eine viel zu harmlose Bezeichnung.«
»Ich muss mich doch sehr gegen diesen Ton verwahren«, erwiderte DiCampo mit hochrotem Kopf.
In diesem Moment kam John McMulin durch die offen stehende Tür gestürzt. Der Projektleiter hielt ihn mit einer beschwichtigenden Geste davon ab, sich über den aufgebrachten Vater herzumachen.
»Professore«, sagte er dann demonstrativ ruhig, »erklären Sie mir bitte zunächst einmal, worum es überhaupt geht.«
Mark funkelte erst DiCampo, dann den Roten John an. Langsam wurde ihm bewusst, dass er zu überstürzt gehandelt hatte. Er besaß zwar noch den Mitschnitt des Telefongesprächs, aber das enthielt ja nur Andeutungen.
»Es gibt da ein Gerücht«, sagte er schließlich ausweichend, doch immer noch in scharfem Ton. »Angeblich soll Ihr Intruder gar nicht so betriebssicher sein, wie Sie uns weisgemacht haben, Doktor. Ich möchte jetzt die Wahrheit von Ihnen erfahren. Wie gefährlich ist Ihre Wunderwaffe für den Cybernauten? Nein, lassen Sie es mich anders formulieren: Wie gefährlich ist der Intruder für Stella, meine Tochter?«
DiCampos Gesicht zeigte keinerlei Regung. Es war erstaunlich, wie sich der Italiener in der Gewalt hatte, vor allem, wenn man wusste, zu welchen Gefühlsausbrüchen er fähig war. Die dunklen Augen des Doktors lieferten sich einen stillen Kampf mit denen des Vaters. Mark musste in diesem Moment daran denken, wie er an seine Informationen gekommen war, und fragte sich, ob DiCampo vielleicht Verdacht geschöpft hatte. Doch wenn, wären dem Italiener trotzdem die Hände gebunden. Andernfalls müsste er sich ja selbst verraten.
Endlich zwang sich DiCampo ein Lächeln ab. »Gerüchte gibt es leider überall, Professor. Ich vermute, Sie haben da etwas aufgeschnappt, was nichts mit dem Intruder zu tun hat. Sie müssen wissen, unsere Teams gehören nicht zu festen Abteilungen, sondern werden projektbezogen immer wieder neu zusammengestellt. Selbst ich habe noch andere Aufgaben neben dieser leidigen Jagd nach den Cyberterroristen zu erledigen, auch wenn Ihnen das in den vergangenen Tagen nicht aufgefallen sein mag.«
»Das sind doch nur Ausflüchte, Doktor. Ich möchte von Ihnen jetzt klipp und klar wissen, welcher Gefahr meine Tochter nun wirklich ausgesetzt ist, und… ich will endlich die Wahrheit hören.«
DiCampos Telefon begann zu klingeln, aber er ignorierte es. »Bitte beruhigen Sie sich doch, Professor Kalder. Stella hat ja gerade erst zwei Reisen absolviert. Selbst wenn sie noch zehn weitere unternehmen sollte, wird ihr Organismus spielend damit fertig werden.«
»Sie behaupten also weiter, der Intruder sei absolut ungefährlich?«
Das Telefon klingelte noch immer. »Bei keinem Unternehmen, egal ob technischen oder medizinischen Charakters, werden Sie eine solche Zusicherung erhalten. Aber bedenken Sie, dass es sich hier ja um keine Langzeitanwendung handelt. Die Gefahr von Folgeschäden durch zu laute Diskomusik oder den Genuss von Coke schätze ich bei weitem höher ein. Reagieren Sie etwa immer so heftig, wenn sich Ihre Tochter einmal ein Glas von diesem braunen Gesöff genehmigt?«
Mark schluckte. Dieser kleine Italiener war glitschig wie ein Fisch. Man bekam nie einen Ansatzpunkt, um ihn richtig zu packen. In drohendem Ton sagte Mark daher: »Dr. DiCampo, ich werde meine Zustimmung zu Stellas Mitwirkung noch einmal überdenken. Aber sollte ich die geringste Bestätigung dafür erhalten, dass Ihre Intruder-Reisen doch nicht so ungefährlich sind, wie Sie immer beteuern, dann wird Sie auch Ihr wandelnder Kleiderschrank hier nicht mehr vor mir retten können.«
Zur Unterstreichung seiner Worte blitzte er den Roten John an. Der suchte etwas verunsichert den Blickkontakt zu seinem Chef, während Mark Kalder den
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