Das Netz der Schattenspiele
Rückweg zum Fahrstuhl antrat.
Nachdem der aufgebrachte Vater das Büro verlassen hatte, hob DiCampo entnervt das immer noch läutende Telefon ab. Er lauschte eine Sekunde. Dann hielt er John McMulin den Hörer hin, als hafte dem irgendein Makel an, und knurrte: »Aufgelegt. Kann wohl nicht so dringend gewesen sein.«
Mark war mit sich im höchsten Maße unzufrieden. Er hatte einfach zu überstürzt gehandelt. Nicht was seine Erregung betraf – die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung seiner Tochter durch den Intruder war wohl Anlass genug, in Rage zu geraten. Aber leider hatte er sich selbst den Boden unter den Füßen weggezogen, als er DiCampo mit Vorwürfen überschüttete, die er durch keine hieb- und stichfesten Beweise untermauern konnte. Als Geheimagent hätte er jetzt sicher seinen Hut nehmen müssen. Aber er war doch nur ein besorgter Vater!
Wieder zurück in seinem Zimmer, erkundigte er sich bei Kimiko zunächst nach Stellas Wohlbefinden. Gleichzeitig reaktivierte er seine Tarnanlage.
»Es geht ihr gut, Mark. Sie schläft wie ein Bär im Winter.«
»Vielen Dank, dass du für mich eingesprungen bist. Ich bin wohl vorhin etwas kurz angebunden gewesen. Entschuldige bitte.«
»Ist schon gut. Was war denn los mit dir, Mark? Ich habe dich noch nie so erregt gesehen.«
»Gar nichts, lass uns ein andermal darüber sprechen.« Kimiko verzog etwas unwillig das Gesicht. Mark drückte einen Knopf auf seinem Notebook-Monitor, dann schloss er die Augen und atmete tief durch. Die letzten Minuten hatten seinem Nervenkostüm nicht gerade gut getan. Als er Kimiko dann wieder ansah, wirkte er etwas gefasster.
»So, jetzt sind wir wieder auf Nowoge- Status.«
»Die Abhöranlage!«, stieß Kimiko hervor und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Hätte ich beinahe vergessen. Was ist nun wirklich geschehen, Mark? Und vor allem: Wie geht es dir? Du siehst ziemlich mitgenommen aus.«
Mark nickte. Das war er wirklich. Er berichtete Kimiko kurz von dem Telefongespräch zwischen Gerrit und DiCampo. Er sei daraufhin wohl einfach durchgedreht, deutete er seinen Auftritt in DiCampos Büro. Kimiko warf einen Blick auf die schlafende Stella, dann lächelte sie Mark an. Er habe genau das getan, was man von einem Vater auch erwartete, tröstete sie ihn. Allerdings hätte sie, wenn sie sich in die Lage einer Mutter versetzte, wohl DiCampo trotzdem die Augen ausgekratzt, Beweise hin oder her.
»Vielleicht brauche ich ihn gar nicht, um mir ein Bild über den Intruder zu machen«, antwortete Mark.
Kimiko sah ihn fragend an.
Dann erzählte Mark von einem Bekannten, das Wort »Freund« sei vielleicht zu hoch gegriffen. Es handelte sich um den Hirntheoretiker Valentin Braitenberg vom Tübinger Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik. Damals, als Mark sich noch mit neuronalen Netzen beschäftigt hatte, war den beiden so manche Flasche Rotwein zum Opfer gefallen, während sie die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Ansätze diskutierten.
»Ich werde meinen versteckten Kommunikationskanal benutzen, um Valentin eine E-Mail zu schicken.« Marks Finger klapperten schon über die Notebooktastatur und Kimiko sah ihm dabei über die Schulter.
In seiner elektronischen Nachricht bemühte sich der innerlich immer noch aufgewühlte Vater um einen sachlichen Ton. Zunächst schilderte er einige fachliche Aspekte des Projektes, ohne jedoch den Intruder selbst beim Namen zu nennen. Dann formulierte er die für ihn so wichtige Frage: Waren Technik und Gehirnforschung schon weit genug fortgeschritten, um die mentalen Aktivitäten eines Menschen nicht nur aufzeichnen, sondern auch ohne Gefahr für den Probanden manipulieren zu können?
Als Mark die E-Mail auf den Weg gebracht hatte, überprüfte er auch seinen Posteingang. Sein Rücken straffte sich.
»Kimiko, es ist etwas hereingekommen.«
»Dass du dir deine Privatpost heimlich in das Labornetz nachschicken lässt, dürfte DiCampo ziemlich auf die Palme bringen.« Sie schmunzelte hintergründig. »Wenn er es nur wüsste! Wer hat dir denn geschrieben?«
Mark hatte den Text inzwischen dekodiert und öffnete nun ein Bildschirmfenster mit der Nachricht. »Jessica, meine Assistentin von der Uni in Berlin. Hier, lies selbst.«
Kimiko beugte sich noch weiter zu dem Flachbildschirm herab und las gemeinsam mit Mark die kurz gehaltenen Zeilen der Nachricht.
Jessica bestätigte Stellas Bericht über den ersten Besuch in Black Sun. Sie, Jessica, kenne den Dunklen
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