Das Netz der Schattenspiele
Mühe, dies auch zu zeigen.
Gerade blickte Stella einem schwarz gewandeten Herrn hinterher, der eine aus Röhren, Spiralen und Gläsern bestehende Maschine trug, die entweder zur Messung irgendwelcher geheimnisvoller Naturphänomene oder zum Schnapsbrennen taugen mochte, als sie wieder das Kinderlachen hörte.
Ihr Kopf fuhr herum. Mit knapper Not sah sie noch etwas hinter einer Hausecke verschwinden. »Da ist er, komm!«, rief sie, ohne daran zu denken, dass dem Frettchen auf ihrer Schulter ohnehin keine andere Wahl blieb.
Sie rannte auf die Gasse zu, in die der Wurm verschwunden war. Wie im Fluge passierte sie den Gelehrten, der alle Mühe hatte, seine ausladende Apparatur vor Stellas Speer in Sicherheit zu bringen. An der Hausecke angekommen, konnte sie gerade noch den Drachen in eine andere Straße abbiegen sehen.
Nun setzte sich das, was im Großen auf den Wasserstraßen Illusions begonnen hatte, im Kleinen auf den Gassen und Plätzen Masinofs fort. Stella rannte, so schnell sie nur konnte, aber immer schien Draggy ihr um eine Schwanzspitze voraus zu sein. Sie bekam ihn nie ganz zu sehen. Nur dieses herzförmige Körperteil lockte sie weiter, fast so, als machte er sich einen Spaß daraus, mit ihr Fangen zu spielen.
Langsam schwanden Stellas Kräfte. Das Pflaster unter ihren Füßen schien in bestimmten Augenblicken weich zu werden wie Gummi. Nur mit Mühe konnte sie dann ihr Gleichgewicht halten. Die glatten Fassaden der Gebäude wirkten blass, als hätten sie jede Farbe verloren. Stella hielt das zunächst für eine Folge ihrer Erschöpfung, aber bald schon wurde ihr bewusst, was wirklich dahinter steckte. Bald würde wieder alles um sie herum durchsichtig werden und dann musste sie zwangsläufig nach Enesa zurückkehren! Ihre Zeit in Illusion wurde allmählich knapp.
Der Zorn gab ihr noch einmal neue Kraft. Der Drache durfte ihr nicht wieder entwischen! Gerade betrat sie eine breite Straße, die an einem runden Gebäude entlangführte. Weit vor ihr verschwand der Drachenschwanz gerade hinter der gebogenen Hauswand.
Es war der Kuppelbau! Mit einem Mal war ihr das klar geworden. Dieses riesige Bauwerk hatte sie schon von außerhalb der Stadt entdeckt. Wollte der Lindwurm sie etwa hierher locken? Befand sich in diesem Rundbau vielleicht sein Nest?
Plötzlich war der Drache weg. Stella lief noch eine ganze Weile, bis sie an ein Portal gelangte, vor dem zwei Wachtposten standen.
»Ist hier eben ein…?« Sie stockte. Man würde sie für verrückt erklären, wenn sie nach einem Lindwurm fragte. Sie machte Anstalten, einfach zwischen den Wachen hindurch in das Gebäude zu gehen, aber da versperrten ihr zwei gekreuzte Hellebarden den Weg.
»Was wollt Ihr?«, herrschte einer der beiden Posten sie an.
»Ich möchte in Euren Tempel«, antwortete Stella schlicht.
Damit hatte sie offenbar den Zweck des Bauwerkes richtig erraten, denn der waffenstarrende Wachmann erwiderte: »Der Tempel der Wissenschaft ist nur den Priestern zugänglich.« Er ließ seinen Blick verächtlich an Stella auf und ab wandern. »Ihr seid doch wohl höchstens eine Studentin.«
Stella machte der herablassende Ton des Postens wütend. So schnell wollte sie sich nicht geschlagen geben. Auf den »Familiennamen« der Marder anspielend sagte sie daher: »Ich bin eine Gelehrte in der Wissenschaft der Mustdidae und weile als Gast in Masinof.«
»Eine solche Fakultät gibt es hier nicht. Und nun verschwindet!«, bellte der Wachmann. Und mit einem abschätzigen Blick auf Stellas Frettchen meinte er noch: »Übergebt Euer Opfer den Priestern. Sie werden es für Euch auf dem Altar in Rauch aufgehen lassen.«
Stella begriff: Hier gab es kein Durchkommen. »Vermutlich macht Euer Kleinhirn seinem Namen alle Ehre. Deshalb kennt Ihr die Wunder der Mustdidae nicht«, rief sie und machte sich schleunigst aus dem Staub, bevor der Posten hinter den Sinn des Gesagten kommen konnte.
»Und was nun?«, fragte sie Sesa Mina, als das Portal außer Sichtweite war.
»Nichts weiter. Ich suche eben einen Nebeneingang.«
»Natürlich! Hätt ich mir denken können.«
Wenig später hatte Sesa Mina einen hohlen Baum gefunden. Das Ganze war eine ziemlich merkwürdige Angelegenheit. Stella musste erst einmal weit hinaufklettern, um anschließend im Inneren des Stammes tief in das Erdreich hinabzusteigen. Bei der Wurzel stieß sie auf einen Tunnel aus Lehm, der schließlich in eine gemauerte Röhre mündete. Eine ganze Weile lang konnte sie sich nur an Sesa Minas
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