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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schwerzüngig.
    »Du hast alles wunderbar gemacht«, widersprach Gwen. Deren Haar schien dreißig Zentimeter länger zu sein als noch am Morgen. Ihr ohnehin schon farbenfroh dekoriertes Gesicht wurde nun zusätzlich durch einen dukatengroßen Schönheitsfleck über der Oberlippe bereichert.
    »Nein«, wehrte sich Stella vehement. »Ich hätte den Wurm beinahe erwischt, aber dann ist er mir wieder durch die Lappen gegangen.«
    »Du hast ihn bis zum Server des MIT verfolgt«, sagte Salomon beschwichtigend. »Das war eine tolle Leistung, Sternchen! Vielleicht ist dies sogar der entscheidende Hinweis. Im Massachusetts Institute of Technologies gibt es genug Wissenschaftler und Apparate, um einen Cyberwurm zu konstruieren. Du hast also keinen Grund, dir etwas vorzuwerfen.«
    »Wenn man davon absieht, dass sie schon wieder unser Labornetz zum Absturz gebracht hat«, meldete sich eine ziemlich unwirsche Stimme.
    Im nächsten Moment erschien Alban Cesare DiCampo in der Rolle des Sheriff von Nottingham.
    Stella kniff die Augen zusammen. Das Ganze war einfach zu absurd. Als sie ihre Umgebung erneut in den Blick fassen wollte, begann alles zu verschwimmen. Nacheinander verschwanden dann die seltsamen altertümlichen Versatzstücke, bis sie sich schließlich im Intruder-Kontrollraum auf dem Cybernautenstuhl wiederfand. Sie konnte jetzt sogar die Ziffern auf DiCampos Armbanduhr erkennen: Es war kurz vor halb fünf.
    »Ich habe Ihr Netz zum Absturz gebracht?«, fragte sie ungläubig, sich an den einstmaligen Sheriff wendend.
    »Allerdings«, antwortete DiCampo zornig. »Mir war von Anfang an klar, dass es mit Kindern in meinem Labor nur Ärger gibt. Schließlich sind wir hier nicht in Disneyland.«
    »Sie sollten sich etwas zurückhalten«, zischte Salomon den Italiener an, »sonst verlieren Sie für diesen fragwürdigen Vergnügungspark hier auch noch Ihren einzigen Gast.«
    DiCampo funkelte den erregten Vater zwar aus dunklen Augen an, beherrschte sich aber.
    »Wir bringen dich jetzt erst einmal aufs Zimmer, damit du dich ausruhen kannst«, sagte Salomon zu Stella. Seine Stimme war wieder so sanft wie vorher. »Inzwischen können die Cyberworm-Analytiker sich mit deinem Reiseprotokoll beschäftigen. Vor allem das neue Schattenwort, das du gefunden hast, stimmt mich optimistisch.«
    Mithilfe von Gwen bettete Salomon seine Tochter wie schon am Samstag auf eine fahrbahre Liege. Obwohl Stella die Augen bereits wieder geschlossen hatte, blieben ihre Ohren hellwach. Irgendwo hinter ihr ertönte Dr. Gerrits Stimme. Sie war leise, aber nichtsdestoweniger drängend.
    »Dr. DiCampo, ich muss Sie umgehend sprechen.«
    Nach einer kurzen Pause zischte der Intruder-Chef verärgert zurück: »Nicht jetzt, Doktor. Rufen Sie mich nachher in meinem Büro an.«
    Damit war das Geplänkel beendet und die Liege rollte unter der Aufsicht Salomons aus dem Kontrollraum. Jemand hielt Stellas Hand. Als sie es noch einmal schaffte, ihre Augen zu öffnen, sah sie Kimiko an ihrer Seite. Dann wurde sie in den Schlaf hinabgezogen. Ihr letzter Gedanke war bei Gerrit und DiCampo. Die Stimme des Arztes hatte auf beunruhigende Weise ernst geklungen. Hoffentlich war Salomon das nicht entgangen. Irgendetwas stimmte nicht.
     
     
    Mark beschloss, zum Gegenangriff überzugehen. Die letzte Bemerkung von Dr. Gerrit hatte ihn hellhörig gemacht und mehr noch DiCampos barsche Reaktion darauf.
    Nachdem Stella mithilfe von Kimiko und Gwen zu Bett gebracht worden war, hatte er die beiden Helferinnen dankend aus dem Zimmer hinauskomplimentiert. Die Japanerin schien zu ahnen, dass der Vater freie Bahn haben wollte, und verabschiedete sich bereitwillig. Wenn Mark Hilfe benötige, wisse er, wo sie zu finden sei. Gwen schnappte sich etwas pikiert den an Stella ausgeliehenen Stapel ihrer Klatschmagazine und entschwand ebenfalls.
    Sobald die Tür geschlossen und Mark mit der schlafenden Stella allein war, machte er sich daran, den Abhörschutz in Betrieb zu nehmen. Seine Finger arbeiteten dabei wie von selbst. Was mochten nur die Gründe für die offensichtliche Besorgnis des Arztes sein? War etwa während der fast sechsstündigen Cyberspace-Reise Stellas irgendetwas schief gelaufen? Es gab so viele verschiedene Apparate im Kontrollraum und außerdem noch die komplizierten Anzeigen auf dem Logbuchmonitor. Da konnte man schnell etwas übersehen.
    Vielleicht wäre es das Beste, die Zustimmung zu Stellas Reisen zurückzuziehen, bis er ein paar befriedigende Antworten erhielt. Wie

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