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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wurde.
    Tomaso Poggio – von seinen Studenten liebevoll The Head genannt – war Spezialist für biometrische Systeme. Salomon kannte ihn noch aus der Zeit, als er an SESAM gearbeitet hatte. Eher gelangweilt hörte Stella Tomasos schwärmerischen Bericht über den Fortschritt seiner Forschungen. Er verfolge den »Ansatz der Eigenkopfanalyse, also der Gesichtserkennung durch Messung statistischer Abweichungen zu einem oder mehreren künstlich konstruierten Durchschnittsgesichtern«.
    Beim letzten Stichwort musste Stella an den Fahrer denken, der sie tags zuvor im MIT abgeliefert hatte. Ansonsten verstand sie kaum ein Wort von dem, was der dunkelhaarige Wissenschaftler da eben so begeistert von sich gegeben hatte. »Ich habe auch meinen eigenen Kopf«, bemerkte sie beiläufig und brachte den temperamentvollen Forscher damit einige Sekunden lang aus dem Tritt.
    »Gibt es hier am MIT ein Projekt mit Namen ›Genesis‹?«, erkundigte sich Salomon beiläufig.
    Tomaso dachte einen Moment nach. Dann antwortete er kopfschüttelnd: »Nicht dass ich wüsste. Wieso? Hat es etwas mit dieser mysteriösen Sache zu tun, wegen welcher der Secret Service den gesamten Universitätsbetrieb lahm gelegt hat?«
    Nach kurzem Zögern nickte Salomon. »Wir vermuten, dass dieser Begriff eine Art Schlüssel darstellt. ›Genesis‹ könnte für ein Forschungsprojekt stehen oder für eine Maschine. Aber wir haben hierzu keine weiteren Informationen.«
    »Das Ameisenheer von Beamten da draußen muss den Steuerzahler doch ein Vermögen kosten. Ihr seid einem ziemlich ernsten Problem auf der Spur, stimmt’s?«
    Salomon hatte beschlossen, seinem alten Freund reinen Wein einzuschenken. »Es geht um die Computervorfälle der vergangenen zweieinhalb Wochen.«
    Tomaso nickte. »Hab ich mir schon fast gedacht. Wenn die dich extra aus Berlin einfliegen, dann konnte es nur irgend so was sein. Leider kann ich dir nicht helfen, aber wenn du willst, höre ich mich einmal ein bisschen um. Vielleicht bekomme ich etwas heraus.«
    Salomon nickte.
    Mit Blick auf Stella fügte Tomaso hinzu: »Und deine Tochter? Warum hast du sie mitgebracht?«
    »Stella hilft uns beim Testen eines von mir geschriebenen Programms, sie beherrscht es wie niemand sonst. Außerdem hat es sich so ergeben. Viviane befindet sich selbst gerade in den Staaten. Mein Schwiegervater ist verstorben und sie regelt den Nachlass.« Salomon hatte bewusst ausweichend geantwortet. Er wollte Stellas Schuldgefühlen keine neue Nahrung geben, indem er Tomaso die ganze Kagee- Geschichte erzählte.
    »Oh, das tut mir Leid, Mark.«
    »Wir sind inzwischen darüber hinweg. Karl, mein Schwiegervater, war schon längere Zeit schwer krank. Der Tod hat sein Leiden verkürzt.«
    Die Unterhaltung dauerte noch ungefähr eine Viertelstunde. Stella hörte kaum zu. Ihr war es wichtiger, die Nähe ihres Vaters zu spüren. Bald würde sie wieder ganz auf sich gestellt sein, und sosehr sie der Gedanke erregte, wieder nach Illusion zurückzukehren, so belastete sie auch der Erwartungsdruck vonseiten des Teams. Man hoffte, ja, man glaubte sogar, Stella würde dem Alptraum des Cyberwurms innerhalb weniger Stunden ein Ende setzen. Wovor sie aber am meisten Angst hatte, war die Ungewissheit darüber, was oder vielmehr wer sie sein würde, wenn sie das nächste Mal aus dem Cyberspace zurückkehrte.

 
    DAS KIND
     
     
     
    Der Lärm ließ Stella erschrocken aus dem Bett hochfahren.
    »Was ist das?«
    »Ich würde sagen: Menschen. Die machen häufiger solche Geräusche.«
    Stella bedachte Sesa Mina mit einem strafenden Blick. Das Frettchen saß auf der Bettkante und schien sie anzugrinsen. »Was soll das denn nun schon wieder heißen? Hier vor unserem Haus ist es nie so laut.«
    »Vielleicht nicht an dieser Stelle, aber anderswo dafür umso öfter.«
    Weil ihr diese Unterhaltung wenig ergiebig schien, schwang Stella die Beine aus dem Bett, eilte zum Fenster und öffnete es. Als sie sich über die Fensterbank hinauslehnte, sah sie ganze Scharen von Menschen durch die enge Gasse strömen. Auffällig viele davon waren bewaffnet.
    »Sieht ja ganz nach Krieg aus«, murmelte Stella vor sich hin. Dann kam plötzlich Leben in sie.
    Unter Vernachlässigung der Morgenwäsche schlüpfte sie eilig in ihre Reisekleidung, schnappte sich Rucksack und Speer und stürzte die Treppe hinab.
    »Was ist denn in dich gefahren?«, rief Sesa Mina, die kaum hinterherkam.
    »Weiß nicht«, antwortete Stella über die Schulter, »hab so ein ungutes

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