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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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lachte, wurde aber schnell wieder ernst. »Hier in der vordersten Linie kämpft nur die Garde des Statthalters. Schert Euch zurück in die Reihen des Fußvolkes und achtet auf unsere Befehle.«
    »Das werde ich nicht tun«, antwortete Stella trotzig. »Ihr braucht mich hier vorne.«
    Ihre Entschlossenheit ließ den Hauptmann stutzen. »So? Und wieso, wenn ich fragen dürfte?«
    »Erstens, weil ich Masinof wie meinen eigenen Rucksack kenne, und zweitens… zweitens…« Stella dachte nach, was denn dieses »zweitens« nur sein könnte. »Zweitens bin ich der beste Jäger jenseits des großen Nichts. Mein Speer trifft immer. Kein Wild kann ihm widerstehen.«
    Der Hauptmann klappte sein Visier hoch, damit er diesen Aufschneider, der da so große Töne spuckte, besser in Augenschein nehmen konnte. Doch was er sah, enttäuschte ihn: eine zierliche Gestalt in weiter Lederkleidung, geschmückt mit einem weibischen Pelzkragen und ausgestattet mit einem Speer, keine weitere Bewaffnung. Überdies war der Jüngling völlig ungepanzert, was erst recht das Missfallen des Kommandeurs erregte.
    »Euch hat wohl die Sonne zu lang aufs Haupt gebrannt«, fasste der Geharnischte seine Zweifel endlich in Worte. ›»Euer Speer trifft immer!‹ Nicht einmal unsere besten Scharfschützen würden dergleichen zu behaupten wagen.«
    »Dann machen wir eben die Probe aufs Exempel.« Stella erschrak fast über ihre eigene Kühnheit.
    »Also gut.« Der Hauptmann grinste. Im nächsten Moment packte er einen arglosen Soldaten, der gerade zufällig vorbeikam, an der Schulter und entwendete ihm den Helm. »Du bekommst ihn gleich wieder«, sagte er. Dann hielt er Stella die Kopfbedeckung hin. »Seht Ihr den hier? Ich werde ihn hochwerfen. Trefft Ihr ihn mit Eurem Speer, dürft Ihr mit dem Voraustrupp in Masinof einziehen und uns als Kundschafter dienen.«
    Stella nickte entschlossen. Sie winkelte den Arm an und hielt den Speer mit schräg nach oben gerichteter Spitze. Doch noch ehe sie ganz bereit war, hatte der Hauptmann den Helm auch schon hinter sich in die Luft geschleudert. Der runde Blechgegenstand beschrieb eine flache Kurve und landete scheppernd hinter einem voll beladenen Ochsenkarren auf den Pflastersteinen. Das Grinsen des Soldaten erreichte nun seine maximale Ausdehnung.
    »Daneben«, sagte er spöttisch.
    Stella funkelte den hinterhältigen Blechmann an. »Ich habe ja noch gar nicht geworfen.«
    Ohne auf eine Erwiderung zu warten, schleuderte sie ihren Speer dem Helm hinterher. Ein Klappern ertönte, kaum zu hören bei all dem Lärm, den das wartende Heer machte. Jetzt war es an Stella zu lächeln.
    »Warum grient Ihr so unverschämt?«, fragte der Hauptmann barsch, doch in seinen Augen lag Unsicherheit.
    »Weil ich soeben als Kundschafter rekrutiert wurde.«
    »Ha, dass ich nicht lache. Ihr wollt mir doch nicht weismachen, Ihr hättet den Helm getroffen, ohne ihn überhaupt zu sehen?«
    »Überzeugt Euch selbst.«
    »Das werde ich auch.« Der Soldat stapfte in seiner Rüstung umständlich über den Platz und umrundete den Ochsenkarren. Auf der anderen Seite verwandelte er sich für Augenblicke in ein ehernes Kriegerstandbild.
    Stella war dem Hauptmann gefolgt. Obwohl sie wusste, was geschehen sein musste, staunte sie doch. Der Speer hatte den Helm durch das geöffnete Visier hindurch am Boden festgenagelt. Seine messingfarbene Spitze war tief in einen Pflasterstein eingedrungen. Die Panzerkappe selbst war praktisch unbeschädigt.
    »Für den Kratzer entschuldige ich mich«, sagte Stella leichthin zu dem Blechmann, der über den Zielhelm gebeugt gleichermaßen um sein inneres wie äußeres Gleichgewicht kämpfte.
    »Er ist glatt in den Stein gefahren!«
    »Ja, tut mir Leid.«
    Schwerfällig richtete sich der Hauptmann wieder auf. Er und Stella waren von einer Schar tuschelnder, teils auch lachender Schaulustiger umgeben. »Wenn Ihr immer noch wollt, dann dürft Ihr uns beim ersten Sturm auf Masinof begleiten.«
    »Gern. Warum werden Eure tapferen Recken überhaupt in diesen Krieg geführt?«
    Der Hauptmann stutzte. »Es steht einem einfachen Soldaten nicht an, nach dem Sinn seiner Befehle zu fragen.«
    »Ach!« Das war Stella neu. Und sie fand es eigenartig.
    »Aber ich kann Euch verraten, dass unser Statthalter ein hehres Ziel mit seinem Feldzug verfolgt«, flüsterte der Hauptmann unerwartet redselig. Stellas Meisterstück hatte sie offenbar in seiner Achtung steigen lassen. »Die Wissenschaftler in Masinof sollen eine Erfindung

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