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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Vorsichtig versuchte er ihre Hand zu ergreifen, doch Stella entzog sie ihm.
    »Nein, Paps. Brainar hat zu mir gesagt, ich soll zu ihm kommen. Verstehst du? Er – der Knirps hat immer in der Mehrzahl von sich gesprochen – sagte zu mir: ›Bitte lass uns nicht im Stich. Aber du musst allein kommen! Sonst geschieht ein großes Unglück.‹ Es ist alles genau so eingetroffen, wie du es schon in Berlin prophezeit hast, Paps. Weißt du nicht mehr?«
    Natürlich konnte sich Salomon noch erinnern. Allmählich begann er die Unruhe seiner Tochter zu begreifen. »Was für ein Unglück hat dieser Brainar denn gemeint?«, flüsterte er.
    »Das kann ich nicht sagen, Paps. Aber es hörte sich nach etwas wirklich Schrecklichem an. Er meinte, er könne es nicht länger aushalten. Wortwörtlich hat er gesagt: ›Wenn du uns nicht hilfst, dann werden wir uns morgen um diese Zeit von dem Schmerz befreien. Vergib uns für das, was dann geschieht.‹«
    Einige Sekunden lang stand Salomon mit vorgebeugtem Oberkörper über seiner Tochter. Seine Augen sprangen hin und her, Zeichen seiner fieberhaft arbeitenden Gedanken. Mit einem Mal richtete er sich zu seiner vollen Größe auf.
    »Ich rufe sofort Agaf und DiCampo an. Wir müssen den Sturm auf Geneses verhindern, bevor alles zu spät ist.«
     
     
    Der Hubschrauber landete am Dienstagmorgen auf dem Campus in unmittelbarer Nähe vom Gebäudekomplex 20.
    Stella und ihr Vater warteten bereits. In geduckter Haltung näherten sie sich der geöffneten Einstiegstür. Sobald sie in den Helikopter geklettert waren, hob dieser mit ratternden Rotoren vom Boden ab.
    Bei dem Fluggerät handelte es sich um einen Sikorsky UH-60 Black Hawk, eine ziemlich große Maschine. Sobald sie angeschnallt waren, gab der Copilot seinen Passagieren mit einem Wink zu verstehen, sie sollten ihre Kopfhörer aufsetzen.
    »Captain Cas Lindsey«, stellte der Kommandant sich über die Bordsprechanlage vor. Sein Copilot höre auf den Namen Buck Fautley. Der nahm seinem Vorgesetzten dann auch gleich das Heft aus der Hand und übernahm die weitere Begrüßung.
    »Willkommen an Bord unseres ›schwarzen Falken‹, Professor Kalder und natürlich auch Miss Kalder. Sie haben eine sehr hübsche Tochter, Professor.«
    Stella konnte sich nicht vorstellen, mit ihrem Headset, bestehend aus voluminösem Kopfhörer und Mikrofon, in irgendeiner Weise attraktiv auszusehen, aber sie zwang sich trotzdem zu einem Lächeln. Salomon nickte freundlich.
    »Wie lange werden wir bis zum Leominster State Forest unterwegs sein, Captain?«
    »Etwa zwanzig Minuten. Genießen Sie den Flug.«
    »Alles in Ordnung, Sternchen?«, fragte Salomon seine Tochter auf Deutsch, damit die Piloten ihn nicht verstehen konnten.
    Stellas einzige Antwort bestand in einem Nicken, dann wandte sie sich dem Kabinenfenster zu und blickte in den trüben Himmel. Es würde Regen geben.
    Salomon respektierte ihr Schweigen, was sie ihrem Vater hoch anrechnete. In den letzten zwei Wochen hatte sie eine tiefe Abneigung gegen jede Art von Mikrofonen entwickelt. Sie verspürte nicht die geringste Lust, den Piloten die Ohren vollzusäuseln.
    Vor nicht einmal zwei Stunden, kurz nach dem Aufstehen um sechs, hatte sie mit Salomon einen alles andere als stillen Dialog geführt. Schon beim Erwachen war ihr erster Gedanke bei Brainar gewesen. Hatte die Erstürmung des Geneses-Geländes noch verhindert werden können? Stella verlangte, noch einmal an den Intruder angeschlossen zu werden, was Salomon auf keinen Fall zulassen wollte. Es war daraufhin zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter gekommen.
    Stellas Aufregung legte sich etwas, als ihr Vater die letzten Neuigkeiten für sie zusammenfasste: Das Areal von Genetic Enterprises war von dem Sondereinsatzkommando der Special Forces unauffällig umstellt worden. Sonst sei nichts passiert. Er wundere sich nur, warum eine Militäreinheit diese Aufgabe übernommen habe und nicht das FBI. Möglicherweise wolle das Pentagon ja einfach die Fäden in der Hand behalten. Vielleicht erwies sich das sogar als Vorteil, mutmaßte er. Die Elitekämpfer waren mit allen Wassern gewaschen. Auch unter extremen Bedingungen behielten sie noch die Nerven. Im Augenblick lautete ihr Befehl »Beobachten«, also beobachteten sie. Die Zufahrtswege blieben offen, was Stella mit einem Aufatmen zur Kenntnis nahm. Allerdings, so lautete Salomons letzte Information, hätte in den vergangenen zehn Stunden niemand das Gelände betreten oder

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