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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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tun?«
    »Das haben sich viele von uns auch gefragt. Als du eben aufgewacht bist, las ich gerade in einer wissenschaftlichen Arbeit von einem gewissen Arthur M. Lloyd, einem angesehenen MIT-Professor mit Sitz im Direktorium der Universität. Inzwischen wissen wir, dass er seit einigen Tagen unauffindbar ist. In seinem Aufsatz schrieb Lloyd, das menschliche Denkvermögen könne durch biotechnische Eingriffe um ein Vielfaches gesteigert werden. Unser Gehirn ist zwar leistungsfähiger als jeder Computer, aber seine interne Arbeitsgeschwindigkeit hinkt den Maschinen ganz schön hinterher. Lloyd behauptet, an Katzen ein Verfahren erprobt zu haben, das deren Nervenzellen durch geringfügige genetische Veränderungen sozusagen extern vernetzbar macht.«
    »Extern vernetzbar?« Stellas Stimme klang schrill. In ihrem Kopf braute sich ein Sturm zusammen.
    »Was ist mit dir, Sternchen?«
    »Nichts«, wehrte Stella hastig ab. »Was meint er damit?«
    »Darunter versteht er den Anschluss eines Computers an das Gehirn. Dadurch kann die Katze einerseits schneller denken und umgekehrt soll es auch möglich sein, ihre Hirnmasse als eine Art intelligenten Superspeicher für Computer zu nutzen.«
    Stellas Puls raste. Ihr Atem ging immer schneller. Unruhig stieß sie sich von der Bettkante ab und ging zu Salomons Notebook hinüber, auf dessen Bildschirm noch der Aufsatz von Professor Lloyd zu sehen war. »Irgendwie erinnert mich das alles an den Intruder.«
    »Genau das habe ich auch gedacht.«
    »Der Archivar erwähnte ein ›Netz der Kinder‹. Und Brainar Chorus…«
    »Wer?«
    »Ein kleiner kahlköpfiger, kränklich aussehender Junge. Er sagte, Draggy sei ein Teil von ihm.«
    Salomon nickte. »Wir konnten dieses zweite Gespräch bisher noch nicht entschlüsseln. Irgendwie muss dieser virtuelle Knabe die von dir erfundene Geheimsprache so verändert haben, dass sie sich unmittelbar an dein Unterbewusstsein richtete.«
    »Das ist mir nicht aufgefallen. Das Einzige, was ich bemerkt habe, war diese komische Vielstimmigkeit, mit der er sprach. Es hörte sich immer wie ein ganzer Kinderchor an.«
    Salomon nickte. »Deshalb hat deine Phantasie ihm den Namen Chorus gegeben. Und Brainar steht für das ›Brain Array‹, das der Archivar erwähnte. Du verblüffst mich immer wieder, Sternchen!«
    »Also, ich glaube nicht, dass ich mir den Namen ausgedacht habe«, widersprach Stella mit glasigem Blick, um gleich darauf das Gesicht ihres Vaters fixieren. »Was hast du eigentlich vorhin damit gemeint, als du sagtest, ich wäre am Ziel?«
    Salomon zuckte mit den Schultern. »Du wirst nicht mehr an den Intruder angeschlossen. Die Geräte im Truck sind schon vor Stunden für den Abtransport gesichert worden. Im Augenblick dürfte sich der Laster bereits auf der State Road 2 nach Westen…«
    »Abtransport?«, gellte Stella entsetzt.
    »Ja doch.« Salomon machte sich ernstlich Sorgen um seine Tochter. »Das Forschungszentrum der Firma Geneses befindet sich westlich von Leominster, vielleicht vierzig Meilen von hier. Das Cyberworm-Team und eine Spezialeinheit der Special Forces wollen das Unternehmen genauer unter die Lupe nehmen. Vermutlich werden sie eine Razzia durchführen. Was ist mir dir, Sternchen…?«
    Stella hatte mit einem Mal zu schwanken angefangen. Salomon war aufgesprungen, um sie zu stützen. Als er sie aufs Bett gesetzt hatte, drang er energisch in sie: »Willst du mir nicht endlich verraten, was in deinem Kopf vorgeht?«
    »Sie dürfen Geneses nicht stürmen!«, hauchte Stella. Ihr war wieder schwindlig geworden, vermutlich, weil sie zu heftig geatmet hatte. Sie verdrehte die Augen, um einen klaren Blick zu bekommen.
    »Was erzählst du da? Wenn in dieser Firma wirklich der Cyberwurm ausgebrütet wurde, dann muss man doch so schnell wie möglich gegen diese Leute vorgehen.«
    »Schon, aber nicht so. Du musst doch im Reiseprotokoll gelesen haben, was der Archivar zu mir gesagt hat. Er sprach davon, dass das Netz der Kinder ein ›neuer Anfang werden‹ sollte. Aber sie hätten ›die Kontrolle über den Plan verloren‹.«
    »Umso wichtiger, dass man unverzüglich handelt.«
    Stellas Gesicht war ein Spiegel ihrer Verzweiflung. »Aber versteh doch, Paps, wenn die Leute von der Spezialeinheit da reinspazieren, wird eine Katastrophe passieren!«
    Salomon hatte seine Tochter selten so aufgeregt gesehen. Litt sie etwa unter einem neuen Schub von Halluzinationen? Stella blickte ihn wie im Fieberwahn an. Ihre Stirn war schweißnass.

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