Das Netz der Schattenspiele
›Biospeicher‹ zu vernichten. Wir sollten jetzt reingehen, bevor sie sich etwas überlegen können.«
Lieberman nickte. Er hoffte, dass die Konfusion unter den Terroristen größer war als ihre Entschlossenheit zur Gegenwehr. Vom Beginn der Erstürmung des zweiten Untergeschosses bis zu diesem Zeitpunkt waren nicht einmal fünf Minuten vergangen. Der Major gab das Zeichen zum Angriff.
Beinahe lautlos rollte eine Dose über den glatten Kunststoffboden, der ein unsichtbares und geruchloses Gas entwich. Zur Ablenkung der Terroristen rief Lieberman einige laute Kommandos durch den Flur. »Nicht schießen, Leute! – Chuck, lass das! – Ja, so ist’s recht. – Wollen doch jetzt keine Dummheiten machen. Wir müssen mit den Männern im Rechenzentrum verhandeln.«
Über den Helmfunk allerdings hatte er zuvor ganz anders lautende Befehle erteilt: »Ich werde jetzt ein bisschen Lärm machen, um sie irrezuführen. Das Gas braucht etwa sechzig Sekunden bis zum Eintritt der Wirkung. Überprüft noch einmal die Schutzmasken. Sollte sich da drinnen jemand früher rühren, dann gehen wir rein und machen den Gegner kampfunfähig.«
Die Sekunden flossen zäh wie Harz dahin. Es waren bereits fünfundvierzig Sekunden verstrichen, als der Horchposten unruhig wurde. »Sie haben etwas gemerkt, Jack!«
Im nächsten Moment ertönte eine Serie von hellen Pistolenschüssen, denen gleich mehrere der Glasscheiben zwischen Flur und Rechenzentrum zum Opfer fielen. Ein Regen feiner Splitter ging auf die Soldaten nieder.
»Ihr Schweine wollt uns einschläfern!«, schrie jemand aus dem Computerraum und feuerte zwei weitere Schüsse ab. Lieberman ließ seinen durchtrainierten Körper nach oben schnellen, zielte mit dem Laservisier seiner kompakten automatischen Waffe auf den Amokschützen und drückte dreimal kurz hintereinander ab. Die schallgedämpften Schüsse waren kaum zu hören, doch sie verfehlten nicht ihr Ziel. Der Angreifer aus dem Rechenzentrum, der sich zum Schießen aus seiner Deckung begeben hatte, wurde von den Treffern herumgewirbelt und sackte dann langsam zusammen.
In den wenigen Sekunden zwischen dem ersten Schuss des Teamleaders und dem Zusammenbruch seines Gegners hatten die übrigen Mitglieder der Einheit Mole two mit fast chirurgischer Präzision die vier anderen Terroristen kampfunfähig gemacht.
»Hier Mole two«, meldete sich daraufhin Lieberman über den Helmfunk. »Rechenzentrum gesichert, Sir. Fünf Gefangene, davon ein Schwerverletzter. Bei uns keine Verluste. Der Gegner hat nur Computer durchlöchert. Wir nehmen uns jetzt den Nachbarraum vor, Sir.«
»Haben Sie Betäubungsgas eingesetzt?«
»Ja, Sir.«
»Dann warten Sie noch ein paar Minuten. Ich möchte nicht, dass den Kindern was passiert. Die Sanitäter müssten jeden Moment bei Ihnen eintreffen. Sie haben Sauerstoff… Moment, Mole two…« Lieberman hörte undeutlich, wie sieh der Kommandeur mit einem anderen Mann unterhielt. Dann meldete sich die Stimme des Generals zurück. »Holen Sie unsere Babys da raus, Mole two. Muss mich jetzt um etwas anderes kümmern. Der Löwe ist angekommen.«
»Roger, Sir. Wir warten auf die Sanitäter. Dann gehen wir weiter vor.« Lieberman wusste, wer hinter dem Decknamen »Löwe« steckte. Professor Arthur M. Lloyd persönlich musste da oben aufgetaucht sein. Aber das war nicht sein Problem.
Sekunden später erschienen acht Sanitäter und zwei Notärzte in Begleitung von weiteren Elitekämpfern, die zwei Kisten mit Sauerstoffmasken bei sich trugen. Dann machte sich Mole two an die Erstürmung der letzten Bastion.
Das medizinische Personal war vorsichtshalber in Deckung gegangen, bevor die Tür zum Nebenraum des Rechenzentrums durch eine gezielte Sprengladung aufgerissen wurde. Eine Blendgranate verschaffte den Elitekämpfern entscheidende Sekunden, um den erstaunlich großen Saal zu stürmen. Hätte es noch einen Gegner gegeben, wäre das die richtige Taktik gewesen. Doch erstaunt, vielleicht auch erleichtert, registrierte der Teamleader, dass sein Operationsgebiet leer war – mit Ausnahme von vierundsechzig nackten Kinderleibern.
John Liebermans Bewusstsein war bis eben ganz auf Kampf eingestellt gewesen, sein Gehirn nur in der Lage aus Tausenden von Reizen jene herauszufiltern, die eine direkte Bedrohung für ihn darstellten. Deshalb hatte er das ungewöhnliche Arrangement der Anlage zunächst gar nicht eingehender betrachtet. Dafür traf ihn nun die Erkenntnis dessen, was er da sah, mit voller Wucht.
Neben
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