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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Fernseh- und Rundfunksender mangels Masse bald auch über absonderliche, eigentlich uninteressante Vorfälle, die aber so reißerisch herausgeputzt waren, dass man es nur mit Überwindung fertig brachte, das Gerät auszuschalten. Da gab es dann fast mystische Phänomene, etwa den scharenweisen Ausfall von Computermäusen, die offenbar wie die legendenumwobenen Lemminge den kollektiven Freitod gewählt hatten. Andernorts sollten PC-Monitore für Sekundenbruchteile den Blick auf fremdartige Gesichter mit großen Katzenaugen freigegeben haben, was einige der selbst ernannten TV-Computerexperten als sicheres Anzeichen für eine bevorstehende Invasion von Außerirdischen deuteten.
    Abgesehen von solchen Auswüchsen ließen die jüngsten Berichte durchaus auf eine ernst zu nehmende Bedrohung schließen. In der Nacht von Freitag auf Samstag kam es zu einem kompletten Ausfall der Stromversorgung in London und großen Teilen des Südostens von England. Die Millionenstadt an der Themse versank fast völlig in Dunkelheit. Wer kein Notstromaggregat besaß, musste sich mit Kerzen oder Petroleumlampen behelfen. Keine Verkehrsampel funktionierte mehr. Selbst die Netze der Telefongesellschaften waren in Mitleidenschaft gezogen. Zwölf Stunden lang regierte das Chaos die Stadt. Die Experten glaubten die Ursache schnell herausgefunden zu haben: ein Computerfehler in den Kontrolleinrichtungen der Elektrizitätsversorger. Merkwürdigerweise traten die Ausfälle an verschiedenen Stellen gleichzeitig auf. Scotland Yard konnte daher einen gezielten Hackerangriff nicht ganz ausschließen.
    »Sie haben der Stadt das Licht gestohlen«, flüsterte Stella benommen, während sie neben ihrem Vater im Frühstücksfernsehen die Berichte verfolgte. Wieder erinnerte sie sich an ein Abenteuer, das sie vor gar nicht allzu langer Zeit selbst erlebt hatte.
    Schon seit dem gestrigen Abend lief in der Villa der Kalders fast ununterbrochen entweder ein Rundfunk- oder ein Fernsehgerät. Im Chaos hatte Mark mehrere News-Ticker aus dem Internet gleichzeitig laufen und filterte alle Nachrichten heraus, in denen Begriffe wie »Computer«, »Hacker« oder »Virus« vorkamen.
    Am Sonntag fielen sämtliche Rechner auf dem internationalen Flughafen im Pariser Vorort Orly aus. Betroffen von dem unerwarteten Shutdown waren nicht nur die Buchungscomputer und Abfertigungsschalter, sondern auch die Radareinrichtungen der Fluglotsen. Als das Leitsystem von einer Sekunde auf die andere zusammenbrach, kam es zu mehreren Beinahezusammenstößen über der Stadt. Der Jumbojet einer amerikanischen Fluglinie verfehlte den Eifelturm nur um ein Haar. Eine größere Katastrophe konnte nur dank dem beherzten und zuletzt sogar eigenmächtigen Handeln der Piloten verhindert werden. Während die Maschinen am Himmel kreisten, mussten am Boden Tausende von Passagieren vor den Check-in-Schaltern Warteschleifen drehen.
    In der Gepäckabfertigung gerieten zudem Zehntausende Koffer und Reisetaschen durcheinander. Offenbar hatte niemand bemerkt, dass während des Etikettierens der Gepäckstücke von den Druckern viele Aufkleber mit falschen Reisezielen ausgespuckt worden waren. Am Sonntagabend ließ sich noch kein Ende des »Pariser Chaos« absehen. Die Computer widersetzten sich standhaft jedem Versuch einer Reanimation. Beinahe so, als wohnte ihnen ein Fluch inne, der verhindern sollte, dass sie je wieder erwachten.

 
     
     
     
    Phase III – Die Durchdringung

 
    CYBERWORM
     
     
     
    Salomon trank zum Frühstück so starken schwarzen Kaffee, dass er ihn fast schon kauen musste. Das gehörte zu den Widersprüchlichkeiten im Verhalten des genialen Gesundheitsapostels. Gewisse »Inkonsequenzen« dieser Art stellten sich immer dann ein, wenn er sich in einer außergewöhnlichen Situation befand. Aber seine Tochter liebte ihn für diese kleinen Unvollkommenheiten.
    Stella sah zu ihrem Vater hinüber, der gerade auf seinem Teller ein beinahe schwarz verkohltes Stück Speck mit der Gabel in zwei Hälften sprengte, während er gebannt auf den kleinen Fernseher auf der Anrichte starrte. Sie selbst hatte die Nachrichten vom Sonntag noch nicht ganz verdaut, war sich unschlüssig, ob auch diese ein Kagee ergaben, ein Schattenwort für ihren immer stärker werdenden Verdacht. Aber sie hatte auf ihrem Computer keine Runde gespielt, in der irgendwelche Flugzeuge vorgekommen wären. Schon wollte sich Erleichterung einstellen, weil ihre aberwitzigen Vermutungen wohl doch nur Hirngespinste waren, da

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