Das Netz der Schattenspiele
sich im Sessel vor und sah Salomon mitten ins Gesicht. »Worauf wollen Sie hinaus, Professor?«
»Ganz einfach. Das Kagee hinterlässt in jedem Rechner, in den es eingedrungen ist, seinen Fingerabdruck, aber es verwendet nicht immer das Wort › Kagee ‹.«
»Nicht?«
»Nun, eigentlich doch.«
Agaf stöhnte. »Ihr Hacker seid wirklich ein schlimmes Volk! Sprechen Sie bitte Klartext, Mark.«
Salomon lächelte. »Ganz einfach: Die fünf Buchstaben von › Kagee ‹ – eigentlich sind es ja nur vier unterschiedliche – werden mithilfe eines Zufallsgenerators ›verwürfelt‹. Wir Kryptologen nennen das Permutation.«
»Sie meinen, Sie verändern einfach die Reihenfolge der Buchstaben?«
»Ganz genau, Agaf. Ein vom Kagee überwundener Rechner – ich nenne ihn scherzhaft eine Trophäe – kann die Buchstabenfolge ›Aegek‹ enthalten oder ›Gekea‹, eben jede denkbare Buchstabenkombination aus dem Grundwort.«
DiCampo ließ sich in die Lehne zurückfallen und stieß die Luft zwischen den Zähnen aus. »Eine Permutation! Der Hammer jedes Kryptografen. Und wir haben es einfach übersehen.«
Salomon schien die Ahnungslosigkeit des Projektleiters sichtlich Vergnügen zu bereiten. Mit einem gnädigen Unterton in der Stimme erbot er sich: »Ich kann Ihnen die passende Kneifzange liefern, wenn Sie wollen. Es ist nämlich, selbst mit dem Wissen, das Sie nun besitzen, immer noch nicht leicht, den elektronischen Fingerabdruck des Kagee zu entdecken.«
»Ich ahne weshalb: Vier verschiedene Buchstaben, von denen einer doppelt vorkommt, können auch schnell einmal durch Zufall irgendwo auftauchen.«
»Exakt. Deshalb enthält mein Permutationsalgorithmus noch eine kleine Besonderheit. Je nachdem, wie die Buchstaben des Kagee verwürfelt sind, ist der Abdruck in einem Rechner mehrmals zu finden. Der Abstand der Spuren zueinander richtet sich nach der ausgewählten Variante. Ich besitze ein kleines Testprogramm. Wenn Sie gestatten, kann ich für Sie heute Abend gerne von meinem Quartier aus die Rechner des Labornetzes nach Spuren des Kagee durchsuchen.«
»Ich bitte sogar darum«, antwortete DiCampo erfreut. »Aber warum wollen Sie es nicht von unseren Arbeitsräumen aus…?« DiCampos hängende Augenlider hoben sich etwas. »Schon klar. Sie möchten Zugang zum Netz haben, ohne dabei ständig kritische Blicke im Nacken zu spüren.«
Salomons Augen hüpften kurz zum Roten John hinüber. Der Hüne kauerte auf seinem unbequemen Holzstuhl wie auf einem Kinderdreirad. »Ich arbeite ungestört am produktivsten«, antwortete er dann, an DiCampo gerichtet.
Der Projektleiter nickte. Unter der Bedingung, dass Salomon einige Grundregeln der Geheimhaltung beachte, wolle er ihm den Netzzugang gerne bewilligen.
Stella staunte über das entgegenkommende Verhalten ihres Vaters, der nichts zu tun versprach, was die Operation Cyberworm in irgendeiner Weise gefährden könne.
Darauf trat DiCampo mit einer weiteren Bitte an den Professor heran. Unabhängig davon, wie die Suche nach der Kagee- Identifikation ausfalle, schliefe er erheblich ruhiger, wenn er das Labornetz vor etwaigen Angriffen durch den Cyberwurm geschützt wisse. Ob es denn da ein Mittel aus Salomons Softwarewerkzeugkasten gäbe, um das Labornetz vor derartigen Einbruchsversuchen zu schützen? Salomon überlegte nicht lange. Er stellte dem Doktor einige Fragen, die dieser entweder direkt oder nach kurzem Telefonat mit seinen Experten beantwortete. Dann nickte er zufrieden und versprach, dem Netzwerk des Intruder-Projektes einen »Schutzschild« zu verpassen, den das Kagee nicht durchdringen könne.
DiCampo atmete hörbar auf. »Ich glaube, unsere Zusammenarbeit wird doch noch sehr fruchtbar werden, Professor Kalder.«
Salomon sah den Projektleiter lange forschend an, bis dieser verunsichert nach einem Dokument griff, das auf dem Besprechungstisch lag.
»Bitte interpretieren Sie meine Kooperationsbereitschaft nicht falsch«, sagte Salomon schließlich ernst, wobei er seine Hand auf Stellas Unterarm legte. »Meine Einstellung gegenüber der weltweiten Missachtung der Privatsphäre durch die NSA hat sich nicht gewandelt. Aber heute wurde auf unser Leben ein Mordanschlag verübt. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um einen erneuten Vorfall dieser Art zu verhindern. Und«, Salomon wandte sich Agaf zu, »ich habe versprochen, das Cyberworm-Team bei seinen Ermittlungen zu unterstützen. Darauf können Sie bauen, Dr. DiCampo, aber erwarten Sie bitte nicht mehr
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