Das Netz der Schattenspiele
ich weiß, woran Dr. DiCampo denkt«, mischte sich Salomon in das Gespräch. »Selbst wenn die Stenografin beim Abschreiben des Protokolls an einem PC saß, der in keiner Weise vernetzt ist, und auch wenn sie ihre Datenträger niemandem zugänglich gemacht hat, könnte ihr Textsystem trotzdem abgehört worden sein.«
»Abgehört? Ein Computer?«
Salomon nickte. »Computer, Telefaxgeräte, Drucker, Modems – jedes elektronische Gerät gibt eine gewisse Strahlung ab, die verräterische Informationen transportiert. Je näher ein Spion dieser Emissionsquelle ist, desto leichter fällt es ihm, sie abzuhören. Es gab sogar vor Jahren einmal einen russischen Schwarzweißfernseher, der für Gegenden mit besonders schlechtem Empfang konstruiert worden war. Diese Geräte stimmten sich selbst auf ein schwankendes und schlechtes Signal ab. Wenn Sie einen solchen Empfänger in der unmittelbaren Nähe eines Computermonitors platzieren, dann können Sie mitlesen, was der arglose PC-Benutzer in seinen Rechner eingibt. Um einen Monitor von einem Nebenbüro aus durch die Wand ›abzuhören‹, genügen schon ein handelsüblicher Fernseher, eine Dipolantenne und vielleicht zwei, drei Bauteile, wie sie in jedem gut sortierten Elektronikladen zu kaufen sind.«
Agaf schüttelte ungläubig den Kopf. »So einfach habe ich mir das wirklich nicht vorgestellt. Allerdings dürften die UN-Räume sicher genug bewacht sein, damit niemand in die unmittelbare Nähe unserer Büros gelangen kann.«
»Für Geheimdienste wie dem CIA sind auch größere Entfernungen kein Problem. Ein geparkter Lieferwagen, ein Telefontrupp – es gibt viele Möglichkeiten, sich einem Büro bis auf zweihundertfünfzig Meter zu nähern, die maximale Entfernung, um einen Computer auf die beschriebene Weise zu belauschen.« Während Salomon dies sagte, behielt er DiCampo genau im Auge. Doch der Projektleiter zuckte mit keiner Wimper und Stellas Vater fügte hinzu: »Vermutlich sind es inzwischen noch einige Meter mehr.«
Agaf dachte einen Moment über Salomons Worte nach. Fast unmerklich begann er zu nicken. »So könnten wirklich die wesentlichen Aufgaben und Strukturen des Cyberworm-Teams ausgespäht worden sein. Doch das erklärt noch nicht völlig, wie die Terroristen den Anschlag auf Sie und Ihre Tochter unternehmen konnten. Sowohl Ihre Ankunft als auch der Zeitpunkt unseres Umzugs nach Fort Meade sind bei keiner Sicherheitsratssitzung erwähnt worden.«
Endlich fand DiCampo Gelegenheit, sich wieder ins Spiel zu bringen. »Ich persönlich habe diese Maßnahmen geplant, hier«, er deutete mit der Rechten auf den Computer, der auf seinem Schreibtisch stand, »auf diesem PC.«
»Ist Ihr Rechner vernetzt?«, fragte Salomon.
»Natürlich, wie alle Computer in dieser Anlage. Sie wollen mit Ihrer Frage doch wohl nicht etwa andeuten…« DiCampo gab sich empört. Nach Stellas Geschmack übertrieb der Projektleiter mit seinen Gefühlsäußerungen immer ein wenig, aber sie schrieb dies seinem südländischen Temperament zu. DiCampo schüttelte energisch den Kopf. »Vergessen Sie nicht, Professor, wir sind die NSA! Firewalls und andere Sicherheitssysteme schützen uns gegen alle bekannten Angriffsformen, die eigenen eingeschlossen.«
Salomon nickte schmunzelnd. »Man weiß ja nie, ob nicht ein frustrierter Mitarbeiter sich einmal an seinem alten Brötchengeber vergreifen will, und sei es nur aus reiner Rachsucht.«
DiCampo räusperte sich. »Diese Möglichkeit kann man natürlich nie ausschließen.«
»Haben Sie trotzdem schon überprüft, ob es einen Einbruch in Ihr Labornetzwerk gegeben haben könnte, Doktor?«
»Ehrlich gesagt…«
»Also nicht?«
Der kleine Mann schüttelte den Kopf. »Es dürfte auch ziemlich schwer sein, das festzustellen.«
»Wenn dieselben Angreifer in Ihr System eingebrochen sind, die auch für die weltweiten Computerausfälle verantwortlich zeichnen, dann müsste es mir gelingen, Spuren zu finden.«
»Wenn Sie an den elektronischen ›Fingerabdruck‹ Ihres mutierten Spieles denken, habe ich da wenig Hoffnung. Nur in den ersten vier kollabierten Computersystemen konnten wir die Kagee- Identifikation finden. Die Terroristen werden ihren Anfangsfehler nicht gerade hier wiederholt haben.«
»Sollten Ihre Spezialisten da etwa eine Informationslücke haben?« Salomon schmunzelte wie jemand, dem gerade ein famoser Streich gelungen war. »Na ja, ohne den Quellcode meines Kagee- Programmes ist das immerhin keine Überraschung.«
DiCampo beugte
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