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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Sonnenlicht zu rücken. Nur in der Sonne würden die Farben lebendig.
    Sylvia drehte die Prismen hin und her, grunzte verzweifelt; ein jammervolles Heulen kam tief aus ihrem Innern, und dann kroch sie los, ein Kristallstück mit einer Hand umklammernd, bis sie im größten Sonnenfleck angelangt war. Augenblicklich erwachte der Kristall zum Leben, erfüllte den Raum mit farbenprächtigen Strahlen. Zum ersten Mal sah ich, wie sich ihre Augen vor Überraschung weiteten. Sylvia ließ etwas geschehen! Sie wußte es. Ich konnte ihre Freude sehen, als sie die Farben durchs Zimmer blitzen ließ.
    Ich setzte mich neben sie und umarmte sie. »Hübsche Farben, Sylvia. Sie gehören dir. Ich schenke dir, was ihr gehört hat.«
    Ein schwaches Lächeln zeigte sich auf ihren klaffenden Lippen. Es schien so, als würde sie diese Kristalle niemals mehr loslassen, jetzt, wo sie endlich etwas gefunden hatte, was sie tun konnte.
    »O Gott, nimm ihr diese Dinger ab!« beschwerte sich meine Tante am nächsten Morgen, als Sylvia in ihrem Hochstuhl saß und einen Kristallzapfen in ihre Haferflocken fallen ließ, während sie mit einem anderen Lichtstrahlen durch die Küche sandte und jeden einzelnen der Anwesenden blendete. »Hast du ihr die gegeben?«
    »Laß sie in Ruhe, Ellie«, befahl Papa. »Wenigstens hat sie endlich etwas zum Spielen gefunden. Sie ist von den Farben fasziniert; und wer weiß, vielleicht lernt sie noch etwas davon.«
    »Was denn?« meinte meine Tante zynisch. »Wie sie uns blenden kann?«
    »Nun«, meinte Papa nachdenklich und schmierte Butter auf seine dritte Scheibe Toast, »zumindest, wie man schmutzige Finger von den Wänden und den Möbeln fernhält. Sie hält diese Dinger so fest, als würden sie davonlaufen, wenn sie sie losläßt…also laß sie nur.«
    Während ich für Sylvia sorgte und Vera weiterhin honigsüß zu mir war, versuchte ich wie verrückt, Zeit zu finden, um wenigstens einmal am Tag an Mammis Flügel zu üben. Sylvia gefiel es nicht, wenn ich übte. Sie saß im Sonnenlicht und warf bunte Strahlen auf meine Notenblätter, und wenn ich sie irgendwie abdeckte, warf sie die Strahlen in meine Augen, so daß ich die Noten nicht lesen konnte.
    Ich nahm auch weiterhin Unterricht bei Lámar Rensdale, obwohl ich nicht viel Zeit zum Üben hatte. Ich wußte, daß er sich darauf vorbereitete, nach New York zu gehen. Diesmal wollte er bleiben und in Juilliard Musikunterricht geben. »Besser, als sich mühsam in einem Ort durchzuschlagen, in dem jeder Künstler mißtrauisch angesehen wird«, hatte er erklärt. Er hatte mich am Abend zuvor angerufen, um mir die Neuigkeit mitzuteilen, und er hatte sich schrecklich aufgeregt angehört. »Es wäre mir lieb, wenn du niemandem davon erzählen würdest, Audrina. Und du mußt mir schwören, mit dem Musikstudium weiterzumachen. Eines Tages, das weiß ich, werde ich im Publikum sitzen und mir sagen, daß ich es war, der Audrina Adare auf die Straße zum Ruhm geführt hat.«
    Ich hatte niemandem außer Arden etwas erzählt und beschlossen, bei Mr. Rensdale vorbeizuschauen und mich zu verabschieden. In meiner Tasche hatte ich ein kleines Abschiedsgeschenk, ein paar goldene Manschettenknöpfe, die meinem Großvater mütterlicherseits gehört hatten.
    Früher war Lámar Rensdale mir wie der ordentlichstealler Männer erschienen. Jedes Ding stand an seinem Platz. Jetzt war sein einst makelloser Garten verwildert und mit Unrat übersät. Der Rasen müßte gemäht, das Unkraut gejätet werden, und Bierdosen rollten im Wind hin und her. Er hatte nicht einmal die Blätter zusammengeharkt oder die alten Vogelnester über der Tür entfernt. Ich wollte an der Hintertür klopfen, aber bei der leichten Berührung meiner Knöchel schwang sie auf.
    Immer, wenn ich sein Haus betreten hatte, hatte ich ihn am Klavier gehört, und wenn er nicht dort war, war er in der Küche gewesen. Da das Haus sehr still war, nahm ich an, er wäre in die Stadt gefahren. Ich beschloß, mein Geschenk mit einer kurzen Notiz zurückzulassen und mich dann auf die Veranda zu setzen, um dort auf Arden zu warten. Ich fing an, eine Nachricht auf den Notizblock in der Küche zu kritzeln.
    »Lieber Mr. Rensdale«, hatte ich gerade geschrieben, als ich ein Geräusch aus dem Wohnzimmer hörte. Ich öffnete den Mund, um zu rufen, als ich ein vertrautes Mädchenkichern hörte. Ich erstarrte, schauderte bei dem Gedanken, daß all die schrecklichen Geschichten, die Vera erzählt hatte, wahr sein konnten. Auf Zehenspitzen

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