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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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gehört?«
    Und jeden Tag antwortete sie dasselbe: »Nein. Ich erwarte auch nicht, von ihr zu hören. An dem Tag, als ich hierher zurückkam, habe ich den schlimmsten Fehler meines Lebens gemacht. Aber jetzt, wo ich mir mein Nest gebaut habe, habe ich die Absicht, das Beste daraus zu machen. Das ist die Einstellung eines Siegers, Audrina, merk dir das. Wenn du erst einmal entschieden hast, was du willst, halte daran fest, bis du es bekommen hast.«
    »Was willst du denn?«
    Sie antwortete nicht, tappte nur in ihren Hausschuhen durch die Küche–Schuhen, die sie auszog, ehe Papa heimkam. Eine Stunde vor seiner Rückkehr raste sie nach oben, badete, zog sich um, richtete ihr Haar, das sie geschnitten hatte. Sie sah Jahre jünger aus, hauptsächlich, weil sie manchmal sogar lächelte.
    Ohne Vera nahm unser Leben einen gewissen Rhythmus an, eine Tatsache, die tröstlich war. Ich wurde dreizehn, dann vierzehn. Sylvia wuchs, machte aber keine Fortschritte. Sie nahm meine ganze Freizeit in Anspruch, aber noch immer sah ich Arden jeden Tag. Papa hatte sich mit Arden abgefunden und war zuversichtlich, daß ich ihn bald langweilig finden würde, da ich ihn so oft sah. Traurigkeit erfüllte mich, als Arden mir erzählte, daß er im kommenden Herbst fortgehen würde–aufs College. Ich wollte nicht an ein Leben ohne Arden denken.
    »Ach, Audrina«, weinte Arden plötzlich auf, packte mich um die Taille und wirbelte mich herum, daß mein weißer Rock flog. Seine bernsteinfarbenen Augen waren jetzt mit meinen auf einer Höhe. »Manchmal, wenn ich dich ansehe und sehe, wie hübsch du geworden bist, dann tut es mir im Herzen weh. Ich habe solche Angst, daß du einen anderen finden wirst, während ich fort bin. Audrina, bitte, verlieb dich nicht in einen anderen. Heb dich für mich auf.«
    Irgendwie lagen meine Arme plötzlich um seinen Hals, und ich klammerte mich an ihn. »Ich wache nachts auf und überlege, wie du aussehen wirst, wenn du richtig erwachsen bist«, fuhr er fort, »und dann denke ich wie dem Vater, daß du für mich dann wie für einen Bruder empfinden wirst. Aber das will ich nicht. Ich habe gehört, daß meine Mutter in deinem Alter ihre Freunde dreimal die Woche gewechselt hat.«
    Plötzlich wurde mir bewußt, daß ich in seinen Armen lag, und ich wand mich, bis meine Zehenspitzen den Boden berührten, aber er hielt mich immer noch fest. »Ich bin nicht deine Mutter.«
    Wie ernst kam ich mir vor, wie erwachsen und weise und klug, obwohl ich weder erwachsen noch klug war.
    Etwas Sanftes, Wunderbares ging in Ardens Augen vor, ließ seine Pupillen größer und dunkler werden. Das Licht, das in ihnen leuchtete, verriet mir, noch ehe er den Kopf neigte, daß ich im zarten Alter von vierzehn Jahren von dem einzigen Jungen geküßt werden würde, dem ich einen Platz in meinem Leben eingeräumt hatte. Wie zart seine Lippen auf meinen waren, so leicht, und ich fühlte heiße und kalte Schauer durch meinen Körper laufen. Freude und Angst mischten sich, als ich versuchte zu entscheiden, ob mir dieser Kuß gefiel oder nicht. Warum sollte ich Angst haben? Dann küßte er mich noch einmal, einbißchen leidenschaftlicher, und Furcht erfüllte mich, als der regnerische Tag im Wald wieder vor meinem geistigen Auge entstand. Er gehörte der ersten Audrina, dieser schreckliche Tag–warum quälte er mich, strafte Arden?
    »Warum zitterst du?« fragte Arden und schien verletzt.
    »Tut mir leid. Ich hatte einfach ein bißchen Angst. Ich bin noch nie so geküßt worden.«
    »Entschuldige, wenn ich dich erschreckt habe–aber ich konnte einfach nicht anders. Eine Million Male habe ich mich zurückgehalten…aber diesmal habe ich es einfach nicht geschafft.«
    Dann tat es mir leid. »Ach, Arden, ist es nicht albern, daß ich jetzt Angst hab’, wo ich mich schon gefragt habe, warum du so lange zögerst?«
    Warum hatte ich das gesagt? Es hörte sich an wie etwas, was Vera sagen würde, und die ganze Zeit über war ich zu Tode erschrocken gewesen.
    »Wirst du es den Jungs jetzt nicht leichtmachen? Meine Mutter war so. Ich hatte gehofft, du wärst anders; das würde mir beweisen, daß das, was wir jetzt empfinden, für immer halten wird. Vielleicht hat Mam es dir nicht erzählt, aber sie war nicht nur einmal verheiratet. Beim ersten Mal war sie erst siebzehn, und es hat nur ein paar Monate gedauert. Mein Vater war ihr dritter Mann, und–so behauptet sie–ihr bester. Manchmal glaube ich allerdings, sie sagt das nur, damit ich mich besser

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