Das Netz im Dunkel
Fassade. Ich trage eine Maske wie ein hübsches Kleid. Dahinter verbirgt sich die Tatsache, daß ich mein jetziges Aussehen verabscheue. Kein Tag vergeht, an dem ich nicht daran denke, wie graziös und kräftig ich war, lebhaft und bereit, alles zu tun, und wenn ich eine Straße entlangging, zog ich alle bewundernden Blicke auf mich. Damián hat mir den Stolz zurückgegeben, den ich früher gehabt habe. Duweißt nicht, was es heißt, sich wie eine halbe Frau zu fühlen. Wieder vollwertig zu sein, auch wenn es nur vorübergehend ist, ist besser als die Leere, der ich vorher gegenüberstand.«
Weit öffnete sie die Arme und flehte mich mit ihren Blicken an. »Du bist für mich wie eine eigene Tochter. Es tut so weh, deinen Respekt zu verlieren, Audrina. Vergib mir, daß ich dich enttäuscht und dir weh getan habe. Ich liebe dich, Audrina, so wie ich dich immer geliebt habe, seit du noch ein Kind gewesen bist und durch den Wald zu mir gelaufen kamst, als hättest du eine zweite Mutter gefunden. Bitte, verstoße mich jetzt nicht, nicht gerade, wo ich solches Glück gefunden habe…«
Ich konnte ihr nicht widerstehen, fiel in ihre Arme, vergab ihr alles, weinte, wie sie weinte. Und ich betete, daß Papa, wenn ihre Zeit kam, netter zu ihr sein würde, als er es zu Tante Elsbeth gewesen war–und zu Mammi.
»Er wird dich heiraten, Billie!« weinte ich, als ich sie umarmte. »Ich werde dafür sorgen!«
»Nein, Liebes…bitte nicht. Ich möchte nur dann seine Frau sein, wenn er das möchte. Ohne Zwang, ohne Erpressung. Er allein soll entscheiden, was das richtige ist. Kein Mann wird durch eine Heirat glücklich, die er nicht gewollt hat.«
Ein verächtliches Schnauben in der Tür ließ mich hinsehen. Da stand Vera mit der Krücke, die sie brauchte, bis das lahme Bein kräftiger wurde. Wie lange hatte sie uns schon belauscht?
»Welch wundervolle Neuigkeiten«, bemerkte Vera trocken, und ihre dunklen Augen blickten hart und kalt. »Noch ein Krüppel, den wir der Whitefern-Sammlung hinzufügen.«
»Ich habe meine Mutter noch nie glücklicher gesehen«,bemerkte Arden ein paar Wochen später, als wir zusammen in dem neumöblierten Wintergarten frühstückten. Hunderte von schönen Pflanzen umgaben uns. Es war April, und die Bäume schlugen aus. Der Hartriegel blühte, und die Azaleen leuchteten in allen Farben. Dies war eine der seltenen Gelegenheiten, wo wir allein waren. Vera saß in einem winzigen Bikini auf der Veranda und tat so, als sonnte sie sich. Arden gab sich große Mühe, sie nicht zu bemerken.
Sylvia hockte mit einer Stoffkatze aus dem Spielzimmer auf dem Boden. »Kitty«, sagte sie wieder und wieder. »Hübsche Kitty«, dann ließ sie die Katze fallen–sie konnte sich noch immer nur sehr kurz auf etwas konzentrieren–,nahm einen Kristall und hielt ihn so, daß sie überallhin Regenbogen werfen konnte. Sie hatte beachtliches Geschick darin erlangt, die Strahlen zu lenken, und es schien so, als wollte sie Veras Augen blenden. Vera jedoch trug eine Sonnenbrille.
Ich hatte ein ungutes Gefühl und sah fort. Sylvia trat auf all die gebrochenen Farben, die ich mied–was hatte Arden da gesagt?
»Mammi meinte gestern abend, daß sie schon immer so hätte leben wollen, in einem wundervollen Haus mit Menschen, die sie liebt. Audrina, ist dir eigentlich einmal der Gedanke gekommen, daß meine Mutter sich in deinen Vater verlieben könnte? Wir können seine Betrügereien nicht aufdecken. Es würde ihn ruinieren und sie zerstören. Ich werde unter vier Augen mit ihm sprechen und ihm sagen, daß er damit aufhören muß.«
Arden sammelte seine Papiere ein, stieß sie ein paarmal auf, bis sie gerade waren, und schob sie dann in seinen Aktenkoffer. Dann beugte er sich vor und gab mir einen Abschiedskuß. »Ich komme gegen sechs zurück. Viel Spaß mit Sylvia unten am Fluß. Sei vorsichtig, und vergißnicht, daß ich dich liebe…«
Ehe er ging, mußte er noch einen verstohlenen Blick auf Vera werfen, die das Oberteil ihres Bikinis abgenommen hatte. Ich funkelte ihn wütend an, aber er drehte sich nicht um und bemerkte es nicht. Ihre Brüste waren mittelgroß und fest–sehr hübsche Brüste, und ich wünschte, sie hätte sie bedeckt gelassen.
»Komm mit, Sylvia«, sagte ich und stand auf. »Hilf mir, das Geschirr in die Spülmaschine zu tun.«
Papa kam in die Küche, als ich gerade damit fertig war, alles fortzuräumen. »Audrina, ich wollte mit dir über Billie sprechen. Du gehst mir seit jener Nacht, in der du uns
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