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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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alten Bodenbretter.
    Ganz leise öffnete er meine Schlafzimmertür und trat ein. Leise schloß er die Tür hinter sich. Wie ein riesiges Monstrum ragte er vor mir im Dunkel auf.
    »Sooo«, meinte er mit sanfter Stimme in der langgezogenen Sprache der Südstaatenbewohner (es hatte jahrelang gedauert, bis er das abgehackte Sprechen der Nordstaatler abgelegt hatte), »jetzt hast du es dir alsoangewöhnt, obszöne Fotos anzuschauen. Das beschämt mich, Audrina, wirklich.«
    »Aber ich doch nicht, Papa. Vera hat sie hierhergebracht–aber schlag sie bitte nicht wieder. Du könntest ihren anderen Arm oder ihr anderes Bein brechen oder sogar ihren Hals. Du solltest sie nicht auspeitschen, wenn sie verletzt ist.«
    »Ich habe sie nicht ausgepeitscht«, erklärte er grob. »Ich habe nur mit ihr geschimpft, und sie hat gekreischt, daß ich sie nicht lieben würde. Lieber Gott, wie kann irgend jemand einen Menschen lieben, der so viel Ärger macht? Aber selbst wenn Vera diese bösen Bilder gebracht hat, hättest du sie dir ja nicht anzuschauen brauchen, oder?«
    Hätte ich das?
    »Ich hätte das nicht von dir erwartet. Laß Vera nicht das Beste in dir zerstören.«
    »Warum sind Jungs für mich gefährlich und für Vera nicht, Papa?«
    »Es gibt Mädchen, die sind dazu geboren, zu sein, was Vera ist. Die Jungs können sie meilenweit riechen. Darum mache ich mir um sie keine Sorgen. Es hätte auch keinen Sinn. Um dich mache ich mir Sorgen, weil ich dich liebe. Ich war auch einmal ein Junge, und ich weiß, was Jungen denken. Es tut mir leid, aber den meisten Jungs kann man nicht trauen. Darum darfst du auch nicht in den Wald gehen, mußt immer in der Nähe unseres Hauses bleiben. Und darum kannst du auch nicht zur Schule gehen. Das ist gefährlich für ein schönes, sensibles Mädchen wie dich. Aus dir wird einmal eine der Frauen werden, die dazu bestimmt sind, die Menschheit zu erlösen. Darum bemühe ich mich so sehr, dich zu retten und vor einer Ansteckung zu schützen…«
    »Aber…Papa…«
    »Widersprich nicht. Nimm einfach die Tatsache als gegeben hin, daß Eltern sich Sorgen machen. Die Älteren wissen viel mehr über die Welt, vor allem aber über ihr eigen Fleisch und Blut. Wir wissen, daß du übersensibel bist. Wir möchten dir unnötigen Kummer ersparen. Wir lieben dich. Wir möchten dich gesund und glücklich aufwachsen sehen, das ist alles.«
    Er setzte sich auf die Bettkante. Ich lag wie erstarrt auf dem Rücken und versuchte, nicht zu atmen. Ganz fest kniff ich die Augen zusammen. Dann öffnete ich die Lider ein wenig, um zu sehen, ob er meinte, daß ich eingeschlafen sei, so fest eingeschlafen, daß ich ebensogut tot sein könnte. Im Tode würde ich vielleicht so sein wie die erste und beste Audrina und würde niemals mehr in diesem Stuhl sitzen müssen. Aber mein Vater beugte sich vor. Er nahm die Decke und zog sie bis hoch unter mein Kinn hinauf. Seine Hand schloß sich stahlhart um meine Schulter; seine kräftigen Finger bohrten sich in meine zarte Haut, bis ich die Augen weit aufriß und sich unsere Blicke trafen. Es war ein schweigender Willenskampf, und schließlich wurde mein Kopf leer, und er hatte wieder gesiegt.
    »Aber, aber«, beruhigte er mich und streichelte mein Haar, »so schlimm ist es doch auch nicht, oder? Du hast es schon früher getan und kannst es wieder tun. Ich weiß, daß du früher oder später die Gabe übernimmst, wenn du Geduld hast und immer wieder übst. Du kannst mir helfen, Audrina.«
    »Aber–aber«, stammelte ich. Ich wollte, daß er aufhörte. Aber er fuhr fort, überschwemmte mich mit seinen Bedürfnissen, die auch meine Bedürfnisse werden sollten.
    Ich hatte Angst. Trotzdem machte mich meine Liebe zu ihm zu einem bereitwilligen Objekt.
    »Du brauchst nichts weiter zu tun als zu träumen, Audrina, einfach zu träumen.«
    Träumen, träumen. Genau das wollte ich nicht. Wollte er so weitermachen, bis ich eine alte Frau war? Oder würde ich es schaffen, die Gabe der ersten Audrina zu übernehmen und Papa zufriedenzustellen? Gebe Gott, daß die Gabe der ersten und unvergessenen Audrina mir helfen würde, nicht so zu enden wie sie. Warum machte er sich deshalb niemals Sorgen?
    »Träume, Audrina, mein Liebling. Shakespeare hat einmal geschrieben: ›Schlafen, vielleicht auch träumen‹. Träumen und die Wahrheit erfahren. Komm wieder und erzähl mir deine Träume, Audrina, sorge dafür, daß all die Hoffnungen deines Vaters für die Zukunft wahr werden.«
    Ich starrte ihn an,

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