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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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wie er auf meinem Bett saß. Seine dunklen Augen blitzten nicht mehr, machten mir keine Angst mehr. Sie flehten nur noch und waren von Liebe erfüllt–wie konnte ich da widerstehen? Er war mein Vater. Von Vätern wurde erwartet, daß sie Gut und Böse unterscheiden konnten. Und ich schuldete ihm eine Menge. »Ja, Papa. Noch einmal. Aber dann ist es doch genug, oder?«
    »Vielleicht«, sagte er, und ein Lächeln erhellte sein Gesicht.
    Scheinbar glücklich nahm mein Papa mich an der Hand und führte mich den Flur entlang zum Zimmer am äußersten Ende.
    Dort angekommen, ließ er mich los und zog einen großen Schlüssel hervor, um Audrinas Zimmertür aufzusperren. Ein kalter Zug ließ mich erschaudern. Es war der Atem der ersten Audrina, der mich aus dem Grab anhauchte.
    Ich sah mich um, wie ich es immer tat, als wäre ich niezuvor hier gewesen. Ich hätte nicht sagen können, wie oft ich schon hier gewesen war. Dieser Raum schien das einzige zu sein, was all die Löcher in meinem Gedächtnis ausfüllte. Aber jedesmal, wenn ich hierherkam, war es ein Schock, die Mobiles unter der Kuppel klingen zu hören. Selbst im Dunkeln blitzten hier hinter meinen geschlossenen Lidern Farben auf. Vielleicht hielt ich da eine Erinnerung fest–die Erinnerung an diesen allzu bekannten und vertrauten Raum. Vielleicht zog ich schon Nutzen aus der Tatsache, einfach nur hier zu sein.
    Wenn es nicht früher ihr Zimmer gewesen wäre, hätte ich es gern für mich gehabt. Es war riesig, mit einem großen Himmelbett. Es gab zwei große, dunkle Schränke, in denen all die hübschen Kleider hingen, die einmal ihr gehört hatten und die ich nicht anziehen durfte. Da standen kleine Schuhe, säuberlich aufgereiht, von der Größe für Einjährige bis zu der Größe, wie sie eine Neunjährige trägt. Ein paar waren alt und abgetragen, ein paar noch neu und glänzend. Die Kleider, die darüber hingen, wurden von Jahr zu Jahr länger.
    Spielzeugregale standen an den Wänden, voll von Dingen, die sich ein kleines Mädchen wünschen konnte. Da waren Puppen aus fernen Ländern, die die Tracht der dortigen Einheimischen trugen. Es gab Puppengeschirr, Bilderbücher, Geschichten, Bälle, Springseile mit komischen Griffen, Schachteln mit Spielen, Puzzles und Farbkästen…Oh, es gab nichts, was sie nicht für die erste unvergessene und perfekte Audrina gekauft hätten–weit mehr, als sie mir gekauft hatten. Auf den dunklen Borden, wo das Spielzeug für alle Ewigkeit saß und darauf wartete, wieder geliebt zu werden, gab es Dutzende von weichen, pastellfarbenen Tieren, alle mit dunklen Knopfaugen, die blitzten und leuchteten und jeder meiner Bewegungen zu folgen schienen. Es gab sogar noch Babyrasseln undabgetragene, bronzierte Babyschuhe, in denen sie ihre ersten Schritte gemacht hatte. Meine Schuhe hatten sie nicht aufgehoben und bronziert, genausowenig wie die von Vera.
    Unter dem großen Fenster mit dem weißen Vorhang stand ein Puppenhaus. Auf einem Spielzeugtisch mit vier Stühlen darum standen Teller und Gläser, lag Besteck. Alles war für eine Party hergerichtet worden, die nie gegeben worden war. Und bunte Teppiche lagen überall, unterteilten das Zimmer in viele kleine Zimmer.
    Ganz leise, wie Einbrecher, schlichen wir uns in das Zimmer, das uns gespannt erwartete. Ich hatte meine Hausschuhe im Flur gelassen, genau wie er. So wollten wir unseren Respekt vor diesem Zimmer bekunden, in dem sie einmal geherrscht hatte, sie, die perfekte Tochter. Allein die Art, wie ich mich zu verhalten hatte, sobald ich dieses Zimmer betrat–Papa hatte mich gelehrt, den Kopf zu neigen, die Augen zu senken und nur ehrfürchtig zu flüstern–,machte mir schon angst. Erwartungsvoll ruhte sein Blick auf mir, als wartete er darauf, daß ihre besondere Gabe in mein Gehirn springen und es mit Audrinas Eigenschaften erfüllen würde.
    Er sah mich weiterhin an, wartete darauf, daß etwas geschah. Aber als ich mich dann nur im Kreis drehte, mal dies, mal das ansah, wurde er ungeduldig und wies schließlich auf den einzigen für Erwachsene geeigneten Stuhl in diesem Zimmer: den magischen Schaukelstuhl mit dem lila Bezug und dem rosa Samtkissen. Zögernd begab ich mich, Zentimeter für Zentimeter, hinüber, hielt den Atem an, als ich mich zwang, mich zu setzen. Kaum saß ich steif in meinem Sessel, da kniete er an meiner Seite. Dann begann sein Ritual mit Küssen, die er auf mein Haar drückte, auf mein Gesicht, ja, sogar auf meine Arme und Hände. Das alles, nur um mir zu

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