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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Die Worte schläferten mich ein, die Melodie ließ meinen Puls langsamer schlagen. Plötzlich überkam mich innere Ruhe, ließ meine Lider schwer werden…,und dann hörte ich ganz schwach mein dünnes Stimmchen singen:
Nur ein Spielzimmer im sichern Zuhaus, nichts als ein Spielzimmer im sichern Zuhaus, ich weine nicht, ich fürchte nichts, muß nicht i n die Welt hinaus, denn mein Papa behält mich immer zu Haus, in meinem Spielzimmer im sichern Zuhaus.
    Das Spielzimmer der ersten und unvergessenen Audrina. Der perfekten Audrina, die ihren Eltern niemals denKummer und die Sorgen bereitet hatte, die sie mit mir täglich erlebten. Ich wollte ihr Lied nicht singen, aber ich konnte nicht aufhören. Wieder und wieder hörte ich, wie ich es sang, versuchte, meine Augen offenzuhalten, damit sie die Elefanten, Bären und Spielzeugtiger auf den Regalen sehen konnten, die alle so süß und freundlich schauten–bis ich mich abwandte. Wenn ich dann wieder hinsah, fletschten sie die Zähne.
    Die Tapete war von einem verblaßten bläulichen Violett, geschmückt mit glitzernden Silberfäden, die Spinnweben an die Wände warfen. Auf den Spielsachen gab es noch mehr Spinnen. Eine riesige fing an, noch mehr Puppen zusammenzuweben, und eine andere ruhte sich in der Augenhöhle einer Puppe aus, deren Haar irgendwie die Farbe von meinem eigenen hatte. Es war schrecklich!
    »Schaukle, Audrina, schaukeln!« befahl Papa. »Laß die Bodenbretter knarren. Laß die grauen Nebel kommen. Sieh zu, wie sich die Wände auflösen, hör zu, wie die Mobiles im Wind klirren. Sie bringen dich zurück, dorthin zurück, wo du all deine Erinnerungen wiederfindest, all die Gaben, die ihr innewohnten. Sie braucht sie nicht mehr, dort, wo sie jetzt ist, aber du brauchst sie. Also sing, sing, sing, …«
    Sein Singsang war hypnotisierend, aber er kannte die Worte nicht, die ich sagte. Papa liebt mich, ja, das tut er. Papa braucht mich, ja, das tut er.
Jesus liebt mich, das ist klar, was in der Bibel steht, ist wahr …
    Die glänzenden, schwarzen Knopfaugen der Plüschtiere schienen zu glitzern und zu leuchten. Sie schienen mehr zu wissen, als ich je wissen würde. Kleine rosa oder roteZungen schienen bereit, mir Geheimnisse zu erzählen, die Papa niemals enthüllen würde. Hoch über mir klirrten die Mobiles. Zufriedenheit überkam mich, als ich schaukelte und schaukelte und ruhiger wurde. Alles war in Ordnung mit mir, denn früher oder später würde ich auf unerklärliche Weise in etwas Besseres verwandelt werden…
    Ich wurde schläfrig, noch schläfriger, ein unwirkliches Gefühl. Das orangefarbene Licht der Gaslampen zitterte, fing die Silber- und Goldfäden in der Tapete ein. Die Farben im Raum fingen an, sich zu bewegen, zu funkeln wie Diamanten, die plötzlich Feuer gefangen hatten. Die Musik der Mobiles unter der Kuppel drang in meinen Kopf, tanzend, tanzend, sie erzählte mir von glücklichen Zeiten da oben, wenn ich gespielt hatte, und von einem schrecklichen Augenblick da oben. Wer ließ den Kristallzapfen aufblitzen?
    Wie konnte der Wind ins Haus eindringen und meine Haare flattern lassen, wenn alle Fenster verschlossen waren? Gab es Gespenster auf dem Dachboden? Oder Zugluft in der Kuppel? Warum bewegte sich das Haar auf meinem Kopf, warum?
    Der gesunde Teil in mir wollte glauben, daß dies alles hoffnungslos sei, daß ich niemals ein ›leerer Krug‹ werden würde, der sich mit allem nur erdenklichen Wunderbaren füllen würde. Ich wollte wirklich nicht diese erste Audrina sein, auch wenn sie schöner und talentierter gewesen war. Trotzdem schaukelte und sang ich weiter. Ich konnte nicht aufhören. Zufriedenheit breitete sich aus, machte mich glücklicher. Mein aufgeregtes Herz schlug langsamer. Mein Puls raste nicht mehr. Die Musik, die ich hörte, war schön, und ich hörte hinter mir–oder vor mir–eine Männerstimme singen.
    Jemand, der mich brauchte, rief mich; jemand, der in derZukunft wartete. Träumerisch, ohne mich darüber zu wundern, sah ich, wie sich die Wände öffneten, als sich die Moleküle langsam, ganz langsam trennten, öffneten und Poren bildeten, durch die ich ohne Schwierigkeit hinausschweben konnte. Ich war draußen in der Nacht, die schnell zum Tag wurde.
    Frei! Ich war frei! Da war kein Spielzimmer mehr, kein Papa! Kein Whitefern!
    Glücklich hüpfte ich nach der Schule an diesem, meinem besonderen Tag, heim. Und ich war ich. Glücklich tanzte ich einen schmutzigen Waldweg entlang. Ich kam gerade aus der Schule,

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