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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Arden seine Haare getrocknet und seine nassen Kleider ausgezogen hatte. Er trug einen ähnlichen Bademantel wie ich, als wir Seite an Seite losgingen, um Papa zu suchen.

Papas Geschichte
    In den Korridoren warfen die Lampen Schatten an die Wände, als Arden und ich die Treppe hinaufgingen, die uns zum Dachboden und in die Kuppel führte…noch ehe wir den halben Weg zurückgelegt hatten, hörte ich Sylvias Stimme, die versuchte, mit Papa zu reden.
    »Aud…driii…naaaa?«
    »Ich weiß nicht, wo sie ist«, sagte Papa, als wäre er nicht er selbst. »Deshalb bin ich ja hierhergekommen. Von diesem Aussichtspunkt aus kann man meilenweit sehen…aber ich kann überhaupt nichts erkennen!«
    »Ich bin hier, Papa«, sagte ich, als ich durch die Öffnung im Boden kam und wieder auf dem türkischen Teppich stand. Schnell schloß er das Fenster, um den Wind auszusperren, den Regen, so daß die Mobiles nicht mehr so wild klimperten.
    Mein riesiger Vater schien erschöpft, zu müde, um sich all den Fragen zu stellen, die ich ihm stellen mußte.
    »Was hast du mir angetan? Warum hast du mich belogen? Papa, wir haben in ihrem Grab nachgesehen–es ist leer!«
    Er sackte zusammen, saß mit hängendem Kopf am Boden. »Ich habe getan, was ich für das beste hielt.«
    Wie konnte er wissen, was das Beste für mich war? Er war ein Mann. Wie konnte irgendein Mann wissen, was es für ein Gefühl für ein Mädchen oder eine Frau war, vergewaltigt und erniedrigt zu werden?
    Er hob den Kopf, seine dunklen Augen flehten um Verständnis, erzählten mir, daß er es versucht hatte, verzweifelt versucht hatte, mir den Stolz wiederzugeben,den die Jungs mir gestohlen hatten. »Sie hatten dir sowenig gelassen, und mit neun Jahren ist man noch lange nicht so weit, daß man sterben sollte.«
    Seine Stimme war rauh und klang verletzt, als ich auf ihn hinabstarrte. Ardens Arme lagen um mich und verliehen mir noch zusätzliche Kraft. »Und wenn deine Mutter gelogen hat, und ich auch, dann haben wir beide alles getan, um dich glauben zu machen, daß es einmal eine erste Audrina gegeben hat und daß sie es gewesen war, die vergewaltigt wurde, und nicht du.«
    »Aber, Papa!« schrie ich. »Wie konntet ihr mich vergessen machen, was geschehen war? Was gab euch das Recht, mir das Gedächtnis zu nehmen und es mit Löchern zu versehen, so daß ich durchs Leben ging und fürchtete, ich wäre verrückt?«
    »Die Liebe zu dir gab mir das Recht«, antwortete er müde. »Es ist nicht schwer, ein Kind zu täuschen. Liebling, hör mir jetzt zu und verschließ dich nicht. Deine Tante hat wohl hundertmal gesagt, wir sollten ehrlich sein und dir helfen, damit fertig zu werden, und manchmal war deine Mutter ihrer Meinung. Aber ich war es, der nicht wollte, daß du mit dem leben mußtest, was geschehen war. Ich war es, der die Entscheidung traf, alles zu tun, was ich konnte, um diesen regnerischen Tag im Wald aus deinem Gedächtnis zu streichen.«
    Ich riß mich aus Ardens Armen und fing an, auf dem Teppich hin und her zu gehen, starrte dabei Sylvia an, die an eines der Fenster gerückt war und nun zu den Mobiles hinaufschaute, als hörte sie sie klimpern. Dabei hingen sie jetzt ganz reglos dort.
    Papa fuhr fort, folgte mir mit besorgten Blicken. »Du bist die einzige Audrina. Es gab niemals eine andere. Nachdem du…nachdem diese Sache geschehen war, habeich ein Grab graben lassen, ließ auch einen Grabstein aufstellen, um dich zu überzeugen, daß du eine ältere, tote Schwester gehabt hast. Das war meine Art, dich vor dir selbst zu schützen.«
    Seine Stimme war sehr, sehr leise und ausdruckslos.
    Hatte ich es die ganze Zeit über gewußt und mich vor der Wahrheit versteckt? Diese Frage quälte mich. Hatte ich gewußt, daß ich die erste, aber nicht unbedingt eine unvergessene Audrina war? Ich schluchzte, hatte das Gefühl, mich aufzulösen. Vor meinem inneren Auge tauchte eine flüchtige Erinnerung auf, wie ich damals heimgetaumelt war, in dem Bewußtsein, daß das Haus voll mit Geburtstagsgästen war, deren Autos auf der Auffahrt parkten…und drinnen, an der Hintertür, hatte Mammi mich gepackt, hatte mich in das heiße Wasser gesetzt, obwohl ich schrie, hatte diese steife, harte Bürste benutzt, um mich zu schrubben, wo ich bereits blutete und mir mein ganzer Körper schon so weh tat. Meine eigene Mutter hatte mich mehr verletzt, als die Jungs es getan hatten. Sie hatte meine Haut zerschunden, bis sie blutig war, hatte versucht, mich von Schmutz und Schande zu

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