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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Wind wurde heftiger, wurde zum Sturm. Er zerrte an meinem Haar, an meinen Kleidern. Er peitschte die Äste der Bäume fast in mein Gesicht. Arden hielt mich um die Taille, versuchte mich zu bezwingen, als sich der Himmel öffnete und eine Sturmflut von Hagelkörnern über uns ergoß.
    »Audrina, du bist ja wahnsinnig!« fuhr er mich an und klang genau wie Papa. »Da unten liegt kein Leichnam.«
    Ich schrie zurück; der Wind machte uns beide taub, so daß wir schreien mußten, obwohl unsere Gesichter nurZentimeter voneinander entfernt waren. »Woher willst du das wissen? Papa lügt, das weißt du! Er würde alles sagen, alles tun, um mich an sich zu binden!«
    Arden schien kurz darüber nachzudenken, schüttelte dann aber den Kopf, ehe er mich erneut rüttelte. »Du redest Unsinn!« brüllte er. »Hör auf, dich so zu benehmen! In diesem Grab liegt niemand! Es gibt keine ältere Schwester, und du mußt dieser Tatsache endlich ins Auge sehen!«
    Wild starrte ich ihn an. Es mußte eine erste, tote Audrina geben, sonst wäre ja mein ganzes Leben eine Lüge. Ich schrie wieder, kämpfte gegen ihn an, entschlossen, ihn zu schlagen, und ebenso entschlossen, das Grab zu öffnen und ihre ›begabten‹ Überreste hervorzuholen. Ja, sagte ich mir, als ich mit Arden kämpfte, Papa ist ein Lügner, ein Betrüger und ein Dieb. Wie konnte irgend jemand irgend etwas glauben, was er sagte? Er hatte mein ganzes Leben auf Lügen aufgebaut.
    Mein Fuß glitt im Schlamm aus. Arden versuchte, mich vor einem Sturz zu bewahren. Statt dessen fielen wir nun beide zu Boden. Immer noch kämpfte ich weiter, trat, kratzte, bäumte mich auf und versuchte zu tun, was die andere Audrina nicht hatte tun können, als sie neun Jahre alt war. Ihn zu verletzen!
    Arden fiel auf mich, breitete die Arme aus, um so meine auf die Erde zu pressen. Seine Beine legten sich um meine Knöchel, so daß ich nicht einmal mehr treten konnte.
    Sein Gesicht drohte über meinem, nahm mich mit zurück zu ihrem Tag, als Spencer Longtree im Wald versucht hatte, sie gegen ihren Willen zu küssen. Ich riß den Kopf mit solcher Wucht hoch, daß ich gegen sein Kinn stieß und er fluchte, als seine Unterlippe blutete.
    Jetzt war Blut in seinem Gesicht–wie damals in ihrem.
    Regen trommelte auf mein Gesicht nieder. Kleine Rinnsale strömten von ihm auf mich. Immer wieder fühlte ich mich an jenen Tag im Wald zurückversetzt, sah nicht ihn, sondern Spencer Longtree…sah in ihm alle drei Jungs, sah in ihm jeden Jungen oder Mann, der jemals ein Mädchen oder eine Frau vergewaltigt hatte–und diesmal würde ich die erste Audrina rächen, würde jede Frau rächen seit dem Anbeginn der Zeit.
    Ich hörte, wie meine Bluse riß, als ich mich wehrte. Ich fühlte meinen violetten Rock bis zur Hüfte hinaufrutschen, aber ich dachte bloß an meine Rache! Blut floß, wo ich sein Gesicht zerkratzt hatte, und der Wind zauste sein Haar und meines. Um uns her tobte die wahnsinnig gewordene Natur, trieb uns zu mehr und mehr Gewalt und Heftigkeit.
    Er schlug mich zweimal. Wie Papa Mammi wegen der kleinsten Sache geschlagen hatte. Nie zuvor hatte er etwas Ähnliches getan. Es machte mich noch wütender, aber ich spürte den Schmerz überhaupt nicht. Ich schlug zurück. Er packte wieder meine Hände, schien zu erkennen, daß er es nicht riskieren konnte, meine Handgelenke noch einmal loszulassen.
    »Hör auf! Hör auf!« brüllte Arden über den heulenden Wind hinweg. »Ich lasse nicht zu, daß du dir oder mir das antust. Audrina, wenn du unbedingt sehen mußt, was in dem Grab ist, dann laufe ich zum Haus zurück und hole eine Schaufel. Sieh dir nur deine armen, armen Hände an.«
    Schon hielt er sie fest, aber wieder riß ich mich los, wollte ihm die Augen aus dem Kopf kratzen. Dann umklammerte er mich wieder, preßte meine schmutzigen Hände an seine Lippen, und seine Augen wurden sanft, als er in mein wütendes Funkeln schaute. »Da liegst du, starrst haßerfüllt zu mir empor, und alles, was ich denken kann, ist, wie sehr ich dich liebe. Hast du noch nicht genugRache genommen? Was willst du mir sonst noch antun?«
    »Dich beschämen und verletzen, wie du mich beschämt und verletzt hast!«
    »Also schön, dann los!«
    Er ließ meine Hände los und kauerte über mir, hielt seine Hände auf dem Rücken. »Los!« brüllte er, als ich zögerte. »Tu, was du tun willst. Benutze diese abgebrochenen, schmutzigen Nägel, um mein Gesicht zu zerkratzen, bohre deine Daumen in meine Augen, und vielleicht

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