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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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saubermachte, saß Vera in dem Schaukelstuhl. Dem Zauberstuhl. Hin und her schaukeltesie, sang dabei vor sich hin, wie Papa mich so oft singen ließ. Aus irgendeinem Grund war ich wütend, sie da zu sehen. Kein Wunder, daß ich die Gabe nicht empfing -Vera versuchte, sie mir zu stehlen!
    »Steh sofort aus dem Stuhl auf!« schrie ich.
    Zögernd kam sie wieder zu sich, öffnete ihre großen, dunklen Augen, die genauso funkelten wie Papas. Höhnisch verzog sie die Lippen. »Willst du mich etwa dazu zwingen, Kleine?«
    »Ja!« wütete ich, marschierte in das gefürchtete und verhaßte Zimmer, bereit, mein Recht zu verteidigen, in diesem Stuhl zu sitzen. Auch wenn ich die Gabe der ersten und unvergessenen Audrina nicht wollte–Vera sollte sie erst recht nicht bekommen.
    Ehe ich noch etwas tun konnte, war Vera schon aufgesprungen. »Jetzt hör mir mal zu, Audrina Nummer zwei. Am Ende werde ich es sein, die den Platz der ersten Audrina einnimmt. Du hast nicht, was sie gehabt hat, und du wirst es auch nie besitzen. Papa versucht und versucht, dich zu dem zu machen, was sie gewesen ist, aber es gelingt ihm nicht, und allmählich begreift er das. Darum hat er mir gesagt, ich sollte diesen Stuhl jetzt auch benutzen. Denn jetzt will er, daß ich die Gaben der ersten Audrina aufnehme.«
    Ich glaubte ihr nicht, aber irgend etwas Zartes in mir bekam einen Sprung. Sie sah mich schwach werden, sah mich zittern. »Deine Mutter liebt dich auch nicht annähernd so sehr, wie sie die erste Audrina geliebt hat. Sie spielt dir ihre Liebe nur vor! Deine Eltern würden dich beide gern tot sehen, wenn sie dafür das Mädchen wiederhaben könnten, das sie wirklich geliebt haben.«
    »Hör auf, so etwas zu sagen!«
    »Ich werde nie aufhören zu sagen, was gesagt werdenmuß!«
    »Laß mich in Ruhe, geh nie wieder in dieses Zimmer! Du bist eine Lügnerin, Vera, eine böse, gemeine Lügnerin!«
    Ich holte weit aus und schlug nach ihr. Ausgerechnet in diesem Augenblick mußte sie aufstehen. Hätte sie es nicht so genau abgepaßt, hätte meine Faust sie wohl verfehlt. So jedoch traf ich sie voll am Kinn. Sie fiel rücklings in den Schaukelstuhl, der daraufhin umstürzte. Aber der Sturz konnte nicht so schlimm gewesen sein, wie ihr Geheul vermuten ließ…
    Tante Elsbeth lief herbei. »Was hast du meiner Tochter angetan?« brüllte sie und half Vera auf die Füße. Kaum stand Vera, da stürzte Tante Elsbeth zu mir und schlug mich ins Gesicht. Geschickt wich ich ihrem zweiten Schlag aus. Ich hörte Vera schreien: »Mutter, hilf mir! Ich bekomme keine Luft mehr!«
    »Natürlich bekommst du Luft«, fuhr meine Tante sie ungeduldig an. Aber eine Untersuchung im Krankenhaus ergab, daß Vera vier gebrochene Rippen hatte. Die Männer vom Rettungswagen warfen Mammi und meiner Tante sonderbare Blicke zu, als vermuteten sie, daß Vera sich nicht immer und immer wieder von selbst verletzen konnte. Dann schauten sie mich an und lächelten schwach.
    Ich wurde ohne Abendessen zu Bett geschickt. (Papa kam erst spät heim, wegen eines Geschäftstreffens, und Mammi zog sich früh zurück und überließ mich der Obhut meiner Tante.) Die ganze Nacht über hörte ich Vera stöhnen, keuchen und nach Luft ringen, während sie versuchte zu schlafen. Vornübergebeugt wie eine uralte Frau kam sie mitten in der Nacht in mein Zimmer und schüttelte vor meinem Gesicht die Faust. »Eines Tages werdeichdiesesHausundalle,diedarinsind,kaputtmachen«, zischte sie, »und du wirst die erste sein, an der ich Rache nehme. Denk immer daran, zweite und schlimmste Audrina, auch wenn du sonst alles vergißt.«

Arden Lowe
    Am Morgen konnte ich es kaum erwarten, das Haus zu verlassen. Da Tante Elsbeth sich um die kranke Vera kümmerte und Mammi wegen ihrer morgendlichen Übelkeit im Bett blieb, hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben Gelegenheit, mich unbemerkt davonzustehlen.
    Die Wälder waren voller Schatten. Genau wie die erste Audrina war auch ich nun ungehorsam, aber der Himmel über mir zeigte keinerlei Anzeichen von Regen, und ohne Regen würde es nicht wieder geschehen. Leuchtende Sonnenstrahlen fielen durch das grüne Spitzendach aus Blättern, warfen goldene Lichtflecke auf den Weg vor mir. Vögel zwitscherten, Eichhörnchen jagten einander, Kaninchen hoppelten, und jetzt, wo ich Whitefern hinter mir gelassen hatte, fühlte ich mich gut, wenn auch nicht ganz wohl. Aber wenn ich jemals eigene Freunde finden wollte, dann mußte ich den ersten Schritt tun und mir, wenn schon sonst

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