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Das Netz im Dunkel

Das Netz im Dunkel

Titel: Das Netz im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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ich habe. Weil ich immer bekommen habe, was du dir gewünscht hast–dabei hättest du es haben können, wenn du deinen großen Mund nicht aufgemacht hättest!«
    »Aber du weißt natürlich, wann du deinen großen Mund aufreißen mußt, Lucietta!« fuhr meine Tante sie an. »Dein Leben lang läufst du in diesem Mausoleum herum und schwärmst von seiner Schönheit. Natürlich hat unser Vater es dir hinterlassen und nicht mir. Ich hätte mich am liebsten übergeben, so süß warst du. Du hast mir alles gestohlen, was ich mir gewünscht habe. Sogar, wenn meine Freunde gekommen sind, um mich zu besuchen, warst du da, hast gelächelt und mit ihnen geflirtet. Du hast sogar mit unserem Vater geflirtet, hast ihn so umschmeichelt, daß ich daneben kalt und gleichgültig wirken mußte. Aber ich habe die ganze Arbeit hier getan, und ich tue sie immer noch! Du kochst das Essen und glaubst, das wäre genug. Nun, es ist nicht genug! Ich mache alles andere. Ich bin es leid, jedermanns Sklavin zu sein! Und als wenn das noch nicht genug wäre, bringst du deiner Tochter auch noch deine Tricks bei!«
    Das schöne Gesicht meiner Mutter wurde flammendrot vor Empörung. »Nur weiter so, Elsbeth, dann wirst du kein Dach über dem Kopf mehr haben! Ich weiß schon, was dich so verbittert! Glaub nur nicht, ich wüßte es nicht. Du wünschst dir, daß du alles haben könntest, was ich habe!«
    »Du bist eine Närrin. Und du hast einen Narren geheiratet. Damián Adare wollte nichts weiter als den Reichtum, von dem er angenommen hat, daß du ihn erben würdest. Du hast ihm niemals gesagt, daß unser lieber Vater seine Steuern nicht bezahlt hat, daß an unserem Haus nichts, aber auch gar nichts repariert worden ist. Dasalles hat er erst erfahren, als es schon zu spät war. Du behauptest, du würdest Gaslicht lieben, aber in Wahrheit weißt du, daß elektrisches Licht den wahren Zustand dieses Hauses aufdecken würde. Die Küche und dieser Raum hier beherrschen unser Leben. Die Küche ist so hell, daß man kaum etwas sehen kann, wenn man anschließend dieses Zimmer betritt. Ich an deiner Stelle wäre ehrlich gewesen, und wenn du Ehrlichkeit einen Fehler nennst, dann bist du, bei Gott, fehlerlos!«
    »Elsbeth«, schrie eine hohe Stimme vom Klavier her, »hör auf, so gehässig zu deiner geliebten Schwester zu sein.«
    »Verschwinde und laß dich kochen«, kreischte Tante Elsbeth.
    »Mercy Marie«, sagte meine Mutter, so arrogant sie konnte, »ich glaube, du solltest dich jetzt besser verabschieden. Da meine Schwester weder zu einem Gast noch zu meiner Tochter oder zu diesem Haus oder zu irgend jemandem sonst nett sein kann, nicht einmal zu ihrem eigenen Fleisch und Blut, sehe ich keinen Grund dafür, mit diesen Teestunden fortzufahren. Nur zögernd verabschiede ich mich von dir, denn ich habe dich geliebt und hasse den Gedanken an deinen Tod. Ich kann es nicht ertragen, zu sehen, wie Menschen, die ich liebe, sterben. Das hier war mein mitleiderregender Versuch, dich am Leben zu erhalten.«
    Sie sah meine Tante nicht an, als sie sagte: »Elsbeth, sei so freundlich und verlasse dieses Zimmer, bevor du etwas sagst, was mich dich noch mehr hassen läßt.«
    Mammi schien den Tränen nahe zu sein; ihre Stimme brach. Hatte sie vergessen, daß das alles nur ein Spiel war? War ich auch nur ein Spiel für sie, damit sie die geliebte erste Audrina am Leben erhalten konnte?
    Der Mittwochmorgen kam. Ich war glücklich, daß ich mir einen Zettel geschrieben hatte, um mich zu erinnern, daß gestern Dienstag gewesen war. Jetzt hatte ich Zugriff zur Wirklichkeit. Heute war Mittwoch. Heute abend würde ich das aufschreiben. Endlich hatte ich eine Möglichkeit für mich gefunden, die Zeit festzuhalten.
    Als ich am Zimmer meiner Eltern vorbeikam, auf dem Weg in die Küche, rief mich meine Mutter herein. Sie bürstete mit einer antiken, silbernen Bürste ihr langes Haar. Papa lehnte vor dem Spiegel und machte einen Knoten in seine Krawatte. Sorgfältig band er die Schlingen und Schlaufen, zog das eine Ende der Krawatte hindurch. »Sag du es ihr, Lucky«, sagte Papa sanft. Er schien vor Glück zu platzen. Mammi wandte sich mir zu. Auch sie lächelte.
    Ich eilte zu ihr, damit sie mich umarmen und an ihre weiche Brust ziehen konnte. »Liebling, du hast dich immer darüber beklagt, daß du außer Vera niemanden zum Spielen hast. Aber es wird jemand kommen, der dir deine Einsamkeit nehmen wird. Ende November, Anfang Dezember wirst du bekommen, was du dir schon so lange

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