Das Netz
wer es ist«, sagte sie und schürzte ärgerlich die Lippen. »Das macht mich noch wahnsinnig.«
Als sie das Foto zurückgab, klingelte das Telefon. Monica hob ab und sagte, dass unten ein Besucher warte, der behaupte, Tweed zu kennen. Tweed sah auf die Uhr. Es war zwölf Uhr mittags, die Zeit, die er mit Sarge vereinbart hatte. Er bat Monica und Paula, in ein anderes Zimmer zu gehen. Newman und Beaurain durften bleiben.
46
Das Treffen mit Sarge dauerte nicht lange. Sowohl Tweed als auch der Mann vom SAS waren sich des Ernstes der Lage vollauf bewusst. Nachdem sich Sarge von Tweed dessen Einsatzplan hatte erklären lassen, sagte er:
»Eines noch: Wir wissen doch beide, dass keine Schlacht nach Plan verläuft.«
»Davon gehe ich aus«, sagte Tweed in ernstem Ton.
An der Tür drehte sich Sarge noch einmal um und gab Tweed die Hand. Ohne dass sie es eigens aussprechen mussten, war beiden bewusst, dass es möglicherweise ein Abschied für immer war.
Als Sarge gegangen war, rief Tweed die anderen wieder ins Büro.
»Was ist eigentlich mit Vince Proctor, dem Wachmann im Kohlekraftwerk«, fragte Paula.
»Den werden wir leider nicht retten können«, sagte Tweed. »Ich habe die Sache lange mit Sarge besprochen, und er ist wie ich der Meinung, dass wir es nicht riskieren können, die El Kaida im letzten Augenblick aufzuschrecken. Eine Befreiungsaktion kommt deshalb nicht infrage.«
»Das ist ja fürchterlich«, sagte Paula entsetzt. »Wo wir doch gerade erst seine Frau gerettet haben.«
»Der Minister hat mich übrigens für morgen Vormittag um zehn Uhr in sein Haus nach Carpford eingeladen. Er hat etwas von einer Nachbesprechung zur heutigen Aktion gefaselt. Ich glaube, ich werde sogar hinfahren.«
»Sollen Sie denn allein kommen?«, fragte Paula.
»Das stellt sich Warner so vor, aber ich werde mich nicht daran halten. Bestimmt sind nämlich auch Palfry und Superintendent Buchanan da, deshalb werde ich Sie alle mitnehmen, ob Warner das nun passt oder nicht.«
Das Telefon klingelte. Tweed hob ab, hörte kurz zu, was George ihm zu sagen hatte, und legte dann wieder auf.
»Raten Sie mal, wer unten ist«, sagte er zu Paula und Beaurain. »Unser allseits geschätzter Mr Margesson aus Carpford. Erstaunlich, dass eine reine Seele wie er sich ins Sündenbabel der Großstadt wagt.« Er ging zur Tür und zwinkerte Paula zu. »Ich glaube, ich rede lieber unten mit ihm, sonst müssen Sie sich noch mal eine seiner Predigten anhören.«
Kurze Zeit später kamen Marler und Butler herein, gefolgt von Nield und Newman. Marler hatte einen Stapel schwarzer Lederkombis mit einem leuchtend weißen SIS-Logo auf dem Rücken dabei. Sogar für Beaurain gab es eine passende Größe.
»Tweed möchte, dass wir nachher mit Motorrädern hinunter zur Themse fahren«, sagte er. »Pete Nield hat extra dafür einige Maschinen angemietet.«
Paula verschwand im Nebenzimmer, und als sie ein paar Minuten später in enges schwarzes Leder gekleidet wieder hereinkam, pfiff Newman anerkennend durch die Zähne.
»Sie sehen in dieser Kluft aber verdammt verführerisch aus«, sagte er. »Steht Ihnen ausgezeichnet.«
»Was man von Ihnen nicht gerade behaupten kann.«
»Überlegen Sie sich genau, was Sie sagen. Schließlich werden sie gleich meine Sozia sein. Mal sehen, wie eng sie mir dann vor lauter Angst auf den Pelz rücken.«
»Das würde mir ja nicht einmal im Traum einfallen!«
Als sich alle umgezogen hatten, kam Tweed zurück ins Büro. »Margesson hat uns um Asyl gebeten«, verkündete er, während er in seine Lederkombi schlüpfte. »Monica macht ihm gerade ein Bett in Howards Nebenzimmer. Ich habe George eingeschärft, auf ihn und Billy Hogarth aufzupassen.«
Er nahm die Motorradhandschuhe, die Marler ihm auf den Schreibtisch gelegt hatte, und sah die anderen aufmunternd an.
»Sind Sie alle bereit?«, fragte er. »Die Stunde der Entscheidung naht.«
47
Niemals in ihrem Leben würde Paula die Fahrt mit den Motorrädern hinunter zur Themse vergessen. Es war noch immer Tag, aber im Osten begann der Himmel bereits dunkel zu werden. Newman fuhr zusammen mit Paula auf dem ersten Motorrad. An allen Maschinen waren gelbe Wimpel befestigt, sodass sie, wenn sie sich einem Kontrollpunkt der Polizei näherten, von den Beamten gleich durchgewinkt wurden. Das Verkehrschaos, durch das sich die Motorräder ihren Weg suchten, war noch schlimmer, als Paula es erwartet hatte. Autofahrer, die seit Stunden im Stau standen, schrien ihnen obszöne
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