Das Netz
Teile zerbrochen war. Der Bug versank gerade im Fluss, und das Heck, das sich noch über Wasser hielt, hatte eine gewaltige Schlagseite. Überall prasselten Wrackteile und Kohlebrocken, die von den Explosionen hunderte von Metern hoch in die Luft geschleudert worden waren, auf das Wasser der Themse herunter.
»Aufgepasst!«, rief Sarge über den Äther. »Sie kommen!«
Vom Heck des sinkenden Kahns waren auf Paulas Seite zwei motorisierte Schlauchboote ins Wasser geworfen worden, in die jetzt mehrere schwer bewaffnete Gestalten sprangen. Beide Boote waren mit jeweils zwei Kämpfern besetzt, die schwarze Turbane trugen. Sie kamen in rasend schneller Fahrt aufs Ufer zu.
Paula hatte gar nicht mitbekommen, wie Butler die Panzerfaust hinunter an die Uferpromenade getragen hatte. Jetzt zielte er damit sorgfältig auf das erste der Schlauchboote und drückte dann den Abzugshebel. Das Schlauchboot verschwand in einem orangeroten Feuerball und löste sich buchstäblich in Luft auf, während das zweite Kurs auf Butler, Nield und Beaurain nahm, die hinter der Ufermauer Stellung bezogen hatten.
Paula lud ihre Maschinenpistole durch. Sie hörte, wie etwas Schweres und Feuchtes ganz in ihrer Nähe auf den Sockel des Denkmals klatschte. Es war ein Fetzen blutigen Fleisches, der im Mondlicht ganz schwarz aussah.
Nield und Butler eröffneten jetzt gleichzeitig das Feuer auf das Schlauchboot, dessen Lenker ihren Geschossgarben aber durch wilde Zickzackmanöver auswich, während sein Mitkämpfer aus seiner Kalaschnikow wie wild auf das Ufer feuerte und damit Nield, Butler und Beaurain in Schach hielten.
Sekunden später war das Schlauchboot am Ufer. Die beiden Insassen wollten über die niedrige Steinmauer klettern. Beaurain sprang auf und feuerte ein ganzes Magazin aus seiner Maschinenpistole auf die beiden ab, die daraufhin mehrfach getroffen zusammenbrachen und zurück in den Fluss stürzten. Einer von ihnen explodierte förmlich, weil Beaurain den Sprengstoffgürtel getroffen hatte.
Dann war auf einmal alles still, und zwei Leichen trieben mit dem Gesicht nach unten neben dem zerfetzten Schlauchboot, das von seinem Motor langsam nach unten gezogen wurde und versank.
Paula blickte hinaus zu dem gesunkenen Lastkahn in der Mitte des Flusses. Auch von seinem Heck konnte man inzwischen nur noch ein winziges Stück aus den Fluten ragen sehen. »Was stehen Sie hier noch rum?«, fragte Tweed. »Los, in die Jeeps! Wir müssen sofort zur Westminster Bridge, die das nächste Ziel der Terroristen sein wird!«
»Ich komme«, rief Paula und rannte zu den Jeeps hinüber, von denen Newman gerade die Tarnung entfernt hatte. Kaum hatte sie sich in den ersten davon gesetzt, startete Tweed auch schon den Motor. Kurz bevor er losfuhr, hüpfte Beaurain noch auf den Rücksitz.
Hinter ihnen bemannten gerade Newman und Butler den zweiten Jeep, während Marler und Nield den dritten nahmen. Marler rief etwas, was Paula nicht verstehen konnte, aber das war auch gut so. In Ausnahmesituationen wie dieser griff Marler oft zu ziemlich drastischen Ausdrücken. Alle hatten sie neben ihren Maschinenpistolen auch noch die schweren Umhängetaschen mit den Handgranaten dabei.
Während Tweed mit Vollgas die Uferpromenade entlangraste, sah Paula, dass vor ihnen die Jeeps des SAS fuhren. Sie alle mussten die nächste Feuerstellung erreicht haben, bevor Ziel zwei den Fluss entlangkam. »Zum Glück hatten wir bisher keine Verluste zu beklagen«, murmelte Paula so leise, dass es über Funk nicht zu hören war.
Zu dem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass die Verteidigung der Westminster Bridge um ein Haar in einer Katastrophe enden sollte.
48
Ali war an Bord des fünften Lastkahns und stand per Funk in Kontakt mit den anderen Kähnen. Das Funksystem der Terroristen war zwar nicht ganz so ausgefeilt wie das des SAS, trotzdem war es nicht weniger abhörsicher.
»Sie greifen uns an!«, schrie Mohammed im Steuerhaus des ersten Kahns aufgeregt in das Funkgerät. Auf einmal war von draußen eine laute Explosion zu hören.
»Mohammed!«, rief Ali. »Mohammed, melde dich!«
Nichts. Aus dem Lautsprecher war ein paar Sekunden lang nur ein Rauschen zu vernehmen. Dann hörte Ali eine halb erstickte Stimme.
»Wir sinken«, stammelte jemand. »Die Ungläubigen schießen vom Ufer aus... Alle unsere Männer sind tot...«
»Die Brücke!«, schrie Ali. »Was ist mit der Brücke?«
»Steht noch...« Ali konnte nicht sagen, ob dieses Röcheln nun von Mohammed oder einem
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