Das Netz
ich mich allerdings, wieso ich das tue. Ob Sie es glauben oder nicht, Onkel Drew fällt es nämlich nie auf. Wie dem auch sei, ungefähr vor einer Woche war ich wieder dort und hörte mitten in der Nacht ein Motorrad heranfahren. Es hielt vor dem Haus, und weil ich allein war, zog ich meine Pistole und lud sie durch. Eine Browning...«
»Eine Browning?«, sagte Paula, die versuchte, sich ihr Erstaunen nicht anmerken zu lassen.
»Ja, eine.32er. Eine hervorragende Pistole. Ich bin Mitglied eines Schießklubs unten an der Themse und trainiere regelmäßig. Aber über Waffen brauche ich Ihnen ja sicher nichts zu erzählen. Zurück zu der Nacht in Carpford: Ich spähe also zwischen den zugezogenen Vorhängen nach draußen und sehe, wie der Motorradfahrer an die Haustür kommt und einen Umschlag in den Briefschlitz steckt. Gleich darauf rauscht er wieder ab.«
»Wie sah der Motorradfahrer aus?«
»Er trug schwarze Motorradkleidung aus Leder und einen Helm, unter dem man sein Gesicht nicht erkennen konnte.«
»Und was für einen Umschlag hat er abgeliefert?«
»Er war weder mit einem Namen noch mit einer Adresse beschriftet. Ich fand das so seltsam, dass ich ihn sofort aufgemacht habe. Schließlich habe ich bei Medfords gelernt, wie man einen Umschlag öffnet und wieder verschließt, ohne dass jemand etwas merkt. Als der Motorradfahrer dann zurückkehrte, hatte ich mir schon alles angesehen und den Umschlag wieder zugeklebt. Der Mann kam an den Briefschlitz, drückte ihn nach oben und rief etwas ins Haus.«
»War es derselbe Mann?«
»Soweit ich es beurteilen kann, ja. Auf jeden Fall war es dasselbe Motorrad, eine Harley-Davidson. Er hatte einen starken ausländischen Akzent. Ich stellte mich mit der Browning in der Hand an die Wand neben der Tür und überlegte mir, dass ich ihm ins Bein schießen würde, sollte er gewaltsam ins Haus eindringen.«
»Warum ins Bein?«
»Weil man ihn danach dann noch verhören kann. Der Mann ruft also ein paarmal mit starkem ausländischem Akzent: ›Falsches Haus. Gib Umschlag zurück‹, aber ich bleibe mucksmäuschenstill stehen. Nach einer Weile gibt er auf und braust auf seinem Motorrad davon. Und hier ist das, was in dem Umschlag war.«
Sie reichte Tweed ein weißes Blatt Papier, auf dem sehr detailgetreu eine Kathedrale mit Kuppeldach aufgezeichnet war.
»Diese Zeichnung lässt meiner Meinung nach nur einen Schluss zu«, sagte Eva Brand. »Der nächste Anschlag der El Kaida wird in England verübt werden, und zwar auf die Saint Paul’s Cathedral. Schließlich ist sie das Symbol des christlichen Glaubens in England - und damit fundamentalistischen Moslems ein Dorn im Auge.«
»Meinen Sie nicht, dass Sie damit etwas zu viel in diese Zeichnung hineininterpretieren?«
»Tue ich das?« Eva strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Apropos Anschläge: Onkel Drew kennt die Araber ziemlich gut, und nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York habe ich ihn gefragt, ob Araber überhaupt in der Lage wären, eine so ausgeklügelte Operation zu planen. Er meinte, dass das nicht sehr wahrscheinlich sei, aber er hat sich nicht näher darüber ausgelassen. Deshalb habe ich angefangen, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen und mir alle Informationen zu beschaffen, an die ich herankommen konnte.«
»Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?«, fragte Tweed.
»Dass für die Anschläge vom 11. September eine gigantische logistische Vorarbeit erforderlich war. Zunächst einmal mussten in Gegenden, in denen viele unterschiedliche Nationalitäten wohnen und wo Araber nicht sonderlich auffallen, Wohnungen angemietet werden. Dann musste eruiert werden, welche Passagiermaschinen für die Anschläge infrage kamen, schließlich mussten sie ja noch viele Tonnen Treibstoff an Bord haben, wenn sie in ihre Ziele rasten. Außerdem mussten Flughäfen ausfindig gemacht werden, an denen die Sicherheitskontrollen besonders lax waren, und schließlich hat jemand auch noch die Baupläne der beiden Türme des World Trade Center analysiert, um herauszufinden, wo die Schwachstellen in den beiden Gebäuden lagen. All das und noch viel mehr musste genauestens geplant werden. Ich war einmal längere Zeit in Ägypten und habe dort die Araber kennen gelernt. Meiner Meinung nach verfügen sie nicht über die Fähigkeiten und das Know-how, um Anschläge wie die am 11. September zu planen.«
»Wer war es dann?«
»Meiner Meinung nach kommt dafür nur ein Amerikaner infrage - oder ein
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