Das Netz
ging die Tür auf, und Tweeds indignierte Stimme war zu vernehmen: »Da hat doch tatsächlich eine Frau die Dreistigkeit besessen, George eine Schachtel allerfeinster Pralinen auf den Schreibtisch zu stellen, um dann ohne ein weiteres Wort an ihm vorbeizurauschen!«
Newman schnellte aus seinem Sessel hoch. Auch die Frau stand auf. Sie war einige Zentimeter größer als Paula, die neben Tweed in der Tür stand. »Darf ich vorstellen: Eva Brand«, sagte Newman hastig. »Die Nichte von Drew Franklin, dem bekannten Kolumnisten.«
»Guten Tag, Mr Tweed«, sagte Eva mit sanfter, aber fester Stimme. »Onkel Drew hat mich einmal auf einer Party auf Sie aufmerksam gemacht. Er ist der Meinung, nur Sie könnten England in Zeiten größter Gefahr retten.«
»Tatsächlich?« Tweed und Paula legten ihre Mäntel ab. »Für gewöhnlich hat alles, was Ihr Onkel sagt - oder schreibt - eine gewisse abfällige Note. Bestimmt hat er sich auch über mich bloß lustig gemacht.«
»Nein, er hat es wirklich ernst gemeint.«
Paula musterte Eva misstrauisch und hatte dabei das Gefühl, dass deren dunkelbraune Augen regelrecht durch sie hindurchsahen. Als sie ihr die Hand gab, fielen ihr Evas feingliedrige Finger und ihr fester Händedruck auf. Auch Tweed gab ihr die Hand, bevor er sich an seinen Schreibtisch setzte und ihr bedeutete, dass sie auf dem Stuhl gegenüber Platz nehmen solle.
Eva schlug ihre langen Beine übereinander und legte die gefalteten Hände in den Schoß.
»Mr Tweed, bitte entschuldigen Sie, dass ich hier einfach so hereingeplatzt bin«, sagte sie, »aber bei manchen Menschen muss man eben mit der Tür ins Haus fallen, wenn man sie sprechen möchte.«
»Hört sich so an, als hätten Sie bereits Übung darin«, bemerkte Tweed in einem etwas versöhnlicheren Ton.
»Ja, das könnte man so sagen. Wenn eine Sache wirklich wichtig ist, dann lasse ich mir etwas einfallen. Und der Grund, weshalb ich heute hier bin, ist in der Tat äußerst wichtig.«
Ganz schön nassforsch, die Gute, dachte Paula. Evas Aussprache hörte man es an, dass sie auf einem der besseren Internate Englands gewesen sein musste. Wer weiß, vielleicht war sie dort ja sogar Schulsprecherin gewesen, dachte Paula. Bei dem Aussehen wäre das kein Wunder. Eva Brand war der Typ Frau, der Männern den Kopf verdrehte und Frauen gelb vor Neid werden ließ.
»Wichtig für Sie oder für mich?« fragte Tweed und spielte mit dem Cartier-Füller, den er von seinen Mitarbeitern zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte.
»Wichtig für Sie...«
»Weiß Ihr Onkel, dass Sie hier sind?«
»Aber nein. Wo denken Sie hin!« Eva machte eine abwehrende Handbewegung. »Der würde an die Decke gehen, wenn er das wüsste.«
»Bevor wir über das reden, was Ihrer Meinung nach dermaßen wichtig ist, würde ich zunächst gern etwas mehr über Sie erfahren. Wer Sie sind, was Sie machen und so weiter.«
Eva schlug ihre langen Beine abermals übereinander. Newman konnte seinen Blick nicht mehr von ihr wenden. Monica schaute hinter ihrem Bildschirm hervor zu Paula und verdrehte die Augen.
»Mit Vergnügen. Zuerst war ich im Internat, und zwar auf der Roedean School in Brighton, später habe ich dann in Oxford Mathematik studiert. Ich kenne mich ganz gut mit der Entschlüsselung von Kodes aus. Außerdem war ich eine Zeit lang bei der Medfords Security Agency angestellt. Und das war gar nicht ohne, kann ich Ihnen sagen. Da musste ich im Auftrag der Firma häufig mit Männern in Bars gehen und sie betrunken machen, um bestimmte Informationen aus ihnen herauszubekommen. Der Trick dabei war der, den Männern noch in der Bar die vertraulichen Informationen zu entlocken, um dann schnell das Weite zu suchen, bevor sie zudringlich werden konnten. Allerdings trifft man bei dieser Art Arbeit manchmal auch auf Exemplare, bei denen man mit härteren Bandagen kämpfen und sich körperlich zur Wehr setzen muss, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ich glaube, dass ich mir das durchaus vorstellen kann«, sagte Tweed schmunzelnd. »Hört sich in der Tat nach einem aufreibenden Job an.« Er schaute absichtlich nicht zu Paula hinüber, die ihn erstaunt anstarrte. »Und was ist nun der Grund Ihres Überfalls?«
»Überfall!« Eva lachte. »Das gefällt mir.« Dann wurde sie wieder ernst. »Mein Onkel hat ein Haus in Carpford. Das ist ein kleines Dorf in den North Downs. Ab und zu, wenn er in London ist, fahre ich dorthin und beseitige das Chaos, das er regelmäßig hinterlässt. Manchmal frage
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