Das Netz
dass Eva Brand Sie abgehängt hat«, sagte er scherzhaft.
»Aber nein, wo denken Sie hin. Ich rufe nur an, weil sie sich ziemlich seltsam verhalten hat. Zuerst hat sie sich ein Taxi zum Sicherheitsministerium genommen, wo sie sich eine gute Viertelstunde aufgehalten hat. Als sie wieder herauskam, hat sie erneut ein Taxi gerufen, um sich nach Covent Garden fahren zu lassen. Dort hat sie das Taxi warten lassen und ist durch die schmalen Gassen zu Fuß zur Monk’s Alley gegangen. An der Stelle, wo Eddies Leiche gefunden wurde, hat sie mit einer Taschenlampe am Boden herumgeleuchtet. Sah so aus, als hätte sie etwas gesucht. Dabei hatte sie in der rechten Hand eine Beretta, die sie schnell in ihrer Manteltasche verschwinden ließ, als sie die Gasse verließ.«
»Woher wissen Sie, dass es eine Beretta war, Pete? Sie waren doch bestimmt nicht allzu nah an Eva dran.«
»Richtig, aber für solche Fälle habe ich immer mein Nachtglas dabei. Als Nächstes hat sich Eva von dem Taxi nach Fulham fahren lassen...«
»Wohin genau?«, unterbrach Tweed ihn und ließ sich von Paula den Zettel mit Evas Anschrift und Telefonnummer geben. Nield nannte ihm genau die Anschrift, die auch auf dem Zettel stand.
»Dort wohnt sie angeblich«, sagte Tweed. »Und was macht sie jetzt?«
»Ich schätze mal, dass sie gerade duscht. Die Badezimmerfenster sind ganz beschlagen.«
»Gut. Beschatten Sie sie weiterhin, und achten Sie peinlich genau darauf, dass Sie nicht von ihr entdeckt werden. Ich sage das, weil ich Eva Brand für ziemlich gerissen halte. Sie ist später mit Paula zum Abendessen im Ivy verabredet. Wenn sie dort angekommen ist, warten Sie vor dem Restaurant. Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, wenn Sie sich ein paar Sandwiches besorgen würden, sonst kriegen Sie heute Abend nichts zu essen. Es ist äußerst wichtig, dass Sie vor dem Restaurant die Stellung halten. Es kann gut sein, dass etwas passiert.«
»Alles klar. Wir passen schon auf.«
Tweed legte auf und fing wieder an, ruhelos durch das Büro zu tigern. Für Paula war das ein untrügliches Zeichen dafür, dass er angestrengt nachdachte. Gerade als er stehen blieb, um etwas zu sagen, kam Marler, der einen Kamelhaarmantel trug, herein und lehnte sich wie üblich mit dem Rücken an die Wand.
»Seit wann haben Sie denn auch einen Kamelhaarmantel? Langsam können wir ja der Special Branch Konkurrenz machen«, sagte Tweed.
»Besondere Aufgaben erfordern besondere Maßnahmen. Ich habe mich heute nämlich mal bei ein paar Informanten der Special Branch umgehört. Du meine Güte, das sind vielleicht Pfeifen! Gar kein Vergleich zu meinen Leuten.«
»Kommen Sie zum Thema, Marler«, sagte Tweed ungehalten. »Was haben Sie herausgefunden?«
»Diese Knallchargen sagen eigentlich alle dasselbe. Angeblich sollen Topleute des kolumbianischen Drogenkartells in London aufgetaucht sein. Als ich näher nachgefragt habe, waren sie natürlich schnell mit ihrem Latein am Ende.«
»Auch Warner scheint ganz auf die Kolumbianer fixiert zu sein«, sagte Tweed nachdenklich.
»Was Sie nicht sagen. Übrigens habe ich mich auch noch mit Emma unterhalten, einer meiner besten Informantinnen. Emma ist eine intelligente und gebildete Frau, aber sie kann sich auch hervorragend als leichtes Mädchen aus dem East End ausgeben.« Marler hielt inne und zündete sich in aller Ruhe eine Zigarette an. Man konnte es Tweed ansehen, dass er ungeduldig auf die Fortsetzung des Berichts wartete.
»Emma«, fuhr Marler schließlich fort, »hat ernst zu nehmende Gerüchte gehört, dass London ein Anschlag vom Ausmaß des 11. Septembers bevorsteht. Verübt werden soll er von einer Terrorgruppe aus Saudis und Algeriern, die angeblich schon im Land ist. Wo und wann der Anschlag stattfinden soll, ist bisher noch nicht durchgesickert. Es heißt nur, dass er ziemlich bald erfolgen wird.«
»Und Sie halten diese Emma für zuverlässig?«, fragte Tweed skeptisch.
»Bisher hat sie mir immer erstklassige Informationen geliefert. Und sie spricht neben vielen anderen Fremdsprachen auch Französisch und Arabisch. Das kam ihr neulich im Belles in Soho zugute, wo sie eine Unterhaltung belauscht hat, die drei Araber geführt haben. Die Männer trugen alle weiße Turbane.«
»Die Turbane waren wirklich weiß? Nicht schwarz?«, hakte Tweed nach.
»Nein, weiß. Vielleicht ist denen Schwarz inzwischen ja zu auffällig. Nun ja, Emma hat von der Unterhaltung jedenfalls nur einen kurzen Gesprächsfetzen aufschnappen können:
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