Das Netz
›Die Lieferung hat die Farm verlassen.‹ Das war alles.«
Das Telefon klingelte. »Das war George«, sagte Monica, nachdem sie wieder aufgelegt hatte. »Unten wartet Jasper Buller mit einem seiner Mitarbeiter und möchte Sie sprechen.«
»Auch das noch«, knurrte Tweed. Buller war der Leiter der Special Branch und wurde von seinen Mitarbeitern, die alle eine Heidenangst vor ihm hatten, natürlich nur »der Bulle« genannt.
Tweed ging an seinen Schreibtisch zurück, zog die Jacke aus und krempelte die Hemdsärmel hoch.
»Jetzt können Sie George sagen, dass er Buller heraufschicken soll, Monica. Aber seinen Gorilla soll er gefälligst unten lassen. Und wenn ihm das nicht passt, kann er sich zum Teufel scheren.«
Newman erhob sich vom Sessel und hockte sich seitlich auf Paulas Schreibtisch.
»Ich bin Buller erst vor kurzem mal begegnet«, sagte er. »Der Mann ist strohdumm.«
»Vorsicht! Er kommt«, sagte Monica.
Im selben Augenblick kam Buller auch schon im unvermeidlichen Kamelhaarmantel hereingestürmt. Der untersetzte Mann, Mitte vierzig, war ungefähr eins siebzig groß. Er hatte dünne Lippen und dazu eine gebrochene Nase, die ihn wie einen Profiboxer aussehen ließ. Den breiten Schädel zierte ein Bürstenhaarschnitt. Seine Verärgerung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, als er Tweed und seine Mitarbeiter mit dunklen Augen wütend anstierte. »Was fällt Ihnen ein, meinen Mitarbeiter in ihr Kabuff dort unten einzusperren?«, brüllte er mit einer Stimme, die keinen Zweifel daran ließ, dass er sofortigen Gehorsam gewohnt war. »Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?«
»Jetzt nehmen Sie doch erst mal Platz«, sagte Tweed freundlich. »Normalerweise kündigen sich unsere Besucher vorher telefonisch an.«
»Das interessiert mich nicht die Bohne«, knurrte Buller und ließ sich in Newmans Sessel fallen. »Sie wissen wohl nicht, wen Sie vor sich haben.«
»Jasper Buller, wenn ich mich nicht irre.« Tweed sprach weiterhin mit freundlichem Ton.
»Genau, den Leiter der Special Branch«, fauchte Buller. »Und Sie sagen mir jetzt sofort, was Sie und diese junge Dame da...« Er deutete auf Paula, und als diese ihn entwaffnend anlächelte, nahm sein Gesicht für den Bruchteil einer Sekunde einen etwas freundlicheren Ausdruck an. »… in Carpford zu suchen hatten.«
»Wieso interessiert Sie das?«, fragte Tweed. »Glauben Sie etwa, die kolumbianischen Drogenbarone haben sich dort eingenistet?«
»Mr Tweed...« Buller beugte sich vor und flüsterte seinem Gegenüber kaum hörbar zu: »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir uns mal kurz unter vier Augen unterhalten könnten.«
Tweed führte Buller eine Treppe hinauf in das geräumige Büro seines Chefs, der momentan wie üblich in seinem Club zu Mittag aß.
»Vielen Dank, ich weiß Ihre Diskretion zu schätzen«, sagte Buller fast schon freundlich. Plötzlich wirkte er wie ausgewechselt. »Ich wollte Ihnen unter vier Augen mitteilen, dass ich mich in letzter Zeit häufig in der berühmtberüchtigten Moschee in Finsbury Park umgesehen habe.«
»Dass Sie die überhaupt betreten durften, wundert mich allerdings.«
Buller lächelte Tweed an. »Ich habe mich natürlich als Araber verkleidet. Aber das bleibt bitte unter uns. Minister Warner darf keinesfalls etwas davon erfahren. Der Mann ist so dermaßen auf das kolumbianische Drogenkartell fixiert, dass er es einfach nicht wahrhaben will, dass bereits viele arabische Terroristen in unser Land geschleust wurden.«
»Haben Sie denn Beweise dafür?«
»Leider nicht. Aber ich habe in der Moschee mit eigenen Augen mehrere Araber gesehen, die allem Anschein nach erst vor kurzem eingereist sind. Ich glaube, dass Sie und ich in dieser Sache zusammenarbeiten sollten. Das ist natürlich keine offizielle Bitte um Amtshilfe«, fügte er hastig hinzu. »Ich werde Sie jedenfalls über neue Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Jetzt muss ich aber leider schon wieder weg.«
»Vielen Dank, dass Sie mir gegenüber so offen waren. Und es würde mich in der Tat freuen, wenn Sie mich über neue Entwicklungen informieren könnten...«
Während Buller unten seinen Mitarbeiter aus dem Besucherzimmer befreite, eilte Tweed zurück in sein Büro. »Buller bricht gerade auf«, sagte er zu Marler. »Folgen Sie ihm und erstatten Sie mir Bericht.«
»Bin schon weg.« Marler schnappte sich seinen Mantel und ging zur Tür.
»Marler!«, rief ihm Tweed nach. »Seien Sie unbedingt vorsichtig. Kann sein, dass Sie sonst noch in
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