Das Netz
Sicherheitskette. Draußen stand Beaurain. Er trug einen eleganten blauen Anzug mit einem blütenweißen Hemd und dazu passender blauer Krawatte. Er sah aus wie frisch aus dem Ei gepellt.
»Wie spät ist es?«, fragte Paula.
»Zehn Uhr morgens. Wird Zeit, dass Sie aufstehen«, sagte Beaurain mit seinem unwiderstehlichen Lächeln. »Ich bin schon seit sieben wach. Wir werden erst einmal ausgiebig frühstücken, und dann nehmen wir ein Taxi zum Hauptbahnhof. Wie ich den Verkehr hier in Mailand kenne, wird es bestimmt eine Ewigkeit brauchen.«
»Geben Sie mir zwanzig Minuten. Ich muss nur noch kurz duschen und meine Sachen packen.«
»Lassen Sie sich ruhig Zeit. Bestimmt haben Sie nicht besonders gut geschlafen. Ich habe nachgefragt: Frühstück gibt es auch in einer Stunde noch. Klopfen Sie einfach bei mir, wenn Sie fertig sind.«
Paula suchte nach einem frischen Taschentuch und griff dabei in die Tasche ihres Mantels, den sie am Abend achtlos über einen Stuhl geworfen hatte. Dabei spürte sie einen kleinen Gegenstand und zog ihn heraus. Es war einer von Marios Keksen, den sie sich wohl reflexartig in die Tasche gesteckt haben musste, bevor sie aus seinem Haus geflüchtet waren. Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen.
Weinend stieg sie unter die Dusche und ließ sich die warmen Wasserstrahlen mehrere Minuten lang ins Gesicht prasseln. Danach trocknete sie sich ab, betrachtete sich im Badezimmerspiegel und war froh, dass man ihr nicht ansah, dass sie geweint hatte.
Eine Dreiviertelstunde später trat sie mit ihrem Koffer in der Hand aus dem Zimmer. Sie klopfte nebenan bei Beaurain. Er öffnete sofort, nahm Mantel und Koffer und lächelte sie an.
Warum lächelt der eigentlich immer so?, fragte sich Paula.
Der große und geschmackvoll eingerichtete Speisesaal war bis auf zwei an einem Tisch in der Ecke sitzende Geschäftsleute leer. Beaurain dirigierte Paula an einen Tisch außer Hörweite der beiden und reichte ihr dort die Speisekarte. Als der Ober kam, bestellte sie Kaffee und Polenta.
»Polenta zum Frühstück!«, rief Beaurain erstaunt aus, nachdem der Ober gegangen war. »Wissen Sie, was Sie sich da antun? Die riesigen Portionen, die man hier bekommt, schaffen Sie nie.«
»Oh doch. Mit Sicherheit. Ich bin schon wieder am Verhungern. Wenn das so weitergeht, werde ich auf dieser Reise bestimmt einige Kilo zunehmen. Aber das macht nichts.«
»Stimmt. Bei Ihrer Figur können Sie sich das leisten.«
»Vielen Dank für das Kompliment, Jules. Was ich Sie schon die ganze Zeit fragen wollte: Was hat es eigentlich mit diesem Spezialpapier auf sich, in das Sie unsere Waffen eingewickelt haben?«
»Das Papier hat ein Freund von mir entwickelt. Er ist Chemiker an der Universität von Louvain und erfindet dort die tollsten Sachen. Soviel ich weiß, tränkt er das Papier mit einer bestimmten Chemikalie und lässt es danach wieder trocknen. Das Papier bildet dann so eine Art Schutzschicht, die Metalldetektoren nicht durchdringen können. Die Amerikaner haben meinem Freund schon Unsummen für seine Erfindung geboten, aber der weigert sich, die Rezeptur zu verkaufen, weil er nicht möchte, dass sie in die Hände von Terroristen fällt.«
»Ich muss die ganze Zeit an den armen Mario denken«, sagte Paula. »Was glauben Sie denn, wer ihn ermordet hat?«
»Möglicherweise die Mafia. Vielleicht hat sie von seinem doppelten Spiel erfahren.«
»Meinen Sie? Einer der Mörder hatte die Sturmhaube nicht ganz bis zum Hals heruntergezogen. Ich konnte sehen, dass er einen langen, pechschwarzen Bart hatte. Wäre da nicht auch eine Verbindung zur El Kaida denkbar?«
»Möglich wäre das schon«, sagte Beaurain und hielt kurz inne, weil der Kellner mit dem Frühstück kam. »Eigentlich wollte ich Ihnen das nicht sagen«, fuhr er fort, als sie wieder allein waren, »aber was diesen hinterhältigen Überfall vor dem Ivy in London angeht, so denke ich, dass der auf jeden Fall auf das Konto der El Kaida geht. Deshalb möchte ich, dass Sie hier in Italien nichts auf eigene Faust unternehmen und immer an meiner Seite bleiben. Ich möchte nicht, dass Ihnen etwas zustößt.«
»Einverstanden.«
Paula machte sich mit großem Appetit über ihre Polenta her. Innerhalb weniger Minuten hatte sie den ganzen Teller leer gegessen und schenkte sich mit einem genüsslichen Lächeln noch eine Tasse Kaffee ein. Nach diesem Frühstück hatte sie das Gefühl, dass sie Bäume ausreißen könnte.
Nachdem Beaurain an der Rezeption die Rechnung
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