Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Netz

Titel: Das Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
Vom Netzwerk:
ihr meine Karte gegeben habe, hätte ich nie gedacht, dass sie mich wirklich einmal hier in London besuchen kommt. George soll sie raufschicken. Mit ihr hätte ich, ehrlich gesagt, am wenigsten gerechnet.«
    Mrs Gobble trug einen Pelzmantel, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, und dieselbe blaue Perlenkette, die sie auch damals bei ihrer ersten Begegnung in ihrem Laden angehabt hatte. Nachdem Tweed sie begrüßt und ihr Monica vorgestellt hatte, ließ sich die kräftig gebaute Frau mit einem lauten Seufzer in einen der Sessel fallen. Sie war ganz blass im Gesicht, und als sie die Handschuhe auszog, bemerkte Tweed, dass ihre Hände zitterten. Monica bot ihr eine Tasse Tee an, die sie dankend annahm.
    »Was führt Sie so spät am Abend zu uns nach London?«, fragte Tweed erstaunt.
    »Es ist sicherer, wenn’s dunkel ist. Dann sieht mich keiner. Wenn Sie wüssten, was in Carpford für seltsame Dinge geschehen...«
    »Jetzt trinken Sie erst mal einen Schluck Tee, Mrs Gobble. Und dann erzählen Sie mir in aller Ruhe, was Sie so beunruhigt.«
    »Genau deshalb bin ich hier. Stellen Sie sich vor, in letzter Zeit kommen sogar zwei Motorradfahrer regelmäßig nach Carpford. Einer kurz nach Sonnenuntergang, ein zweiter später in der Nacht. Und sie rasen auch nicht mehr nur zu Mr Margesson. Jetzt stellen sie die Motorräder ab, gehen ganz gemächlich um den See herum und klingeln bei allen Häusern, damit niemand sagen kann, zu wem sie wirklich wollen. Von einem habe ich sogar das Gesicht gesehen. Das war so ein komischer Ausländer.«
    »Wie haben Sie denn das geschafft, Mrs Gobble?«, fragte Tweed.
    Monica brachte den Tee, und Tweed wartete, bis Mrs Gobble ein paar Schlucke genommen hatte. Langsam kehrte in ihr dickliches Gesicht wieder etwas Farbe zurück.
    »Das war vielleicht ein Ding, so erschrocken bin ich noch nie in meinem Leben!«, erzählte Mrs Gobble aufgeregt. »Ich bringe gerade den Müll über die Straße, als einer von denen mit einem Affenzahn herangebraust kommt. Er sieht mich, tritt auf die Bremse, die Maschine bricht hinten aus, und der Motorradfahrer stürzt. Ich renne hinüber und will nachsehen, ob ihm was passiert ist, aber der rappelt sich schon wieder hoch und glotzt mich böse an. Dabei komme ich ihm so nahe, dass ich im Licht der Straßenlaterne durch das Helmvisier sein Gesicht sehen kann. Er hatte einen schwarzen Bart und eine so fiese, dunkle Visage, dass ich die ganze Nacht dran denken musste und kein Auge zugetan habe.«
    »War das der erste oder der zweite Motorradfahrer?«, fragte Tweed.
    »Der zweite. Der vorher war ein anderer.«
    »Und dann hätte ich noch eine Frage, Mrs Gobble. Wie sind Sie eigentlich an Ihren Antiquitätenladen gekommen?«
    »Über eine Anzeige in der Times . ›Allein stehende Frau für kleines Geschäft gesucht‹. Ich dachte mir: Warum nicht? Ist doch eine nette Gegend dort in Surrey, und die Miete war auch bezahlbar. Ich habe also die Nummer angerufen, die unter der Anzeige stand, und einen Termin mit einem Mr Pecksniff vereinbart.«
    »Hieß der tatsächlich so?«
    »Ja, wie die Figur aus dem Roman Martin Chuzzlewit . Dickens mag ich ja sehr, aber dieser Pecksniff, der mir den Laden vermietet hat, war ein ziemlicher Unsympath. Ich musste ihn in so einer zwielichtigen Spelunke im East End treffen. Da hat er mich von vorn bis hinten ausgefragt, bevor er mir gnädig den Laden überließ. Warum, weiß ich allerdings auch nicht so recht. Hier, ich habe Ihnen seine Telefonnummer und die Adresse von der Kaschemme aufgeschrieben. Aber jetzt muss ich wieder los. Es ist noch ein weiter Weg zurück nach Carpford.«
    »Sollen wir Ihnen nicht lieber eine nette Pension hier in London suchen?«, fragte Tweed, und Monica fügte hinzu: »Sie können auch bei mir übernachten. Ich habe ein Gästezimmer.«
    »Nein, nein, ich fahre zurück nach Carpford«, sagte Mrs Gobble bestimmt. »Ich schlafe am liebsten in meinem eigenen Bett.«
    Nachdem Mrs Gobble gegangen war, sagte Tweed: »Ich gehe jetzt auch nach Hause. Morgen komme ich nicht ins Büro. Ich brauche Ruhe zum Nachdenken. Das mit den beiden Motorradfahrern gibt mir zu denken, und irgendwie habe ich das Gefühl, als ob die Situation sich zuspitzen würde. Möglicherweise bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Jetzt haben wir zwar eine Liste potenzieller Verdächtiger, aber noch keine konkrete Spur. Vielleicht sehe ich ja morgen klarer, nachdem ich ausgiebig nachgedacht habe. Ich bin also für niemanden zu erreichen - außer in

Weitere Kostenlose Bücher