Das Netz
standen. Paula sagte Mario, dass sie sich noch ein wenig umsehen wolle, und ging an die Stirnwand des Raums, wo ein großes Bücherregal stand. Murano setzte sich auf einen Stuhl neben Beaurain und beobachtete sie mit einem amüsierten Lächeln.
In dem Regal befanden sich alte, in Schweinsleder gebundene Bücher, von denen Paula das eine oder andere herausnahm und durchblätterte. Murano interessierte sich offenbar für die unterschiedlichsten Wissensgebiete, darunter auch für Spionage. Paula fand sogar einen Band über die Gründung des britischen Secret Service zur Zeit von Königin Elisabeth I.
»Ich habe Ihnen ein Glas Chianti eingeschenkt«, sagte Murano, als Paula sich schließlich zu ihm und Beaurain gesellte. »Aber wenn Sie lieber etwas Nichtalkoholisches wollen, habe ich auch frisch aufgebrühten Kaffee für Sie. Wasser gibt es natürlich auch. Sie haben die Wahl.«
»Sie sprechen fabelhaft Englisch«, bemerkte Paula, während sie einen Schluck von dem Wein nahm.
»Danke! Als ich noch jung war, habe ich drei Jahre lang in London in einem Fish-and-Chips-Shop gearbeitet. Ich liebe Ihre englischen Chips. Viel besser als unsere patate fritte . Auf Ihr Wohl, meine Liebe.«
»Ich will ja kein Spielverderber sein, Mario«, sagte Beaurain mit einem Anflug von Ungeduld in der Stimme, »aber unsere Zeit ist leider sehr knapp bemessen. Ich muss unbedingt wissen, was mit dem Geld geschieht, das Ihnen von der belgischen Bank überwiesen wird.«
»Das kann ich Ihnen verraten. Ich überweise es elektronisch auf ein Konto auf Aruba, einer Insel der Kleinen Antillen. Nach Abzug einer kleinen Bearbeitungsgebühr, versteht sich.«
»Dann ist das Geld also in Südamerika«, sagte Paula.
»Und entzieht sich damit unseren Nachforschungen«, sagte Beaurain. »Einen Bankier auf dieser Insel zum Reden zu bringen, dürfte fast so schwer sein wie ein Einbruch in Fort Knox.«
»Aber das Geld bleibt nicht auf den Antillen«, sagte Mario lächelnd. »Das weiß ich deshalb, weil die Bank auf Aruba mir einmal aus Versehen eine Kopie der weiterführenden Transaktion zugeschickt hat. Damals ging das Geld an eine kanadische Bank auf den Bahamas. Warten Sie, ich gebe Ihnen gleich die genauen Daten.«
»Was meinen Sie, Paula?«, fragte Beaurain in nicht ganz ernstem Ton. »Wollen wir zusammen auf die Bahamas fliegen?«
Murano zog eine dicke Brieftasche aus seinem Jackett und holte daraus ein gefaltetes Blatt Papier hervor, das er glatt strich, bevor er es Beaurain reichte. Dann kicherte er abermals.
»Es gibt Leute - ziemlich unangenehme Leute -, die mir ein Vermögen für diese Information zahlen würden.« Er machte eine abfällige Handbewegung. »Aber keine Angst, Jules, Sie bekommen sie umsonst.«
»Der Bankdirektor heißt Rick Pendleton«, las Beaurain von dem Blatt ab. »Interessant. Ich kenne diesen sauberen Herrn.«
»Ist das nicht toll?«, sagte Mario zu Paula und fuchtelte mit den Händen aufgeregt in der Luft herum. »Jules kennt Gott und die Welt. Was für ein außergewöhnlicher Mann! Und er weiß so viel...«
»Nur eines weiß er nicht«, sagte Paula trocken. »Auf welchem Weg die Terrorkommandos der El Kaida nach England kommen.«
Auf einen Schlag veränderte sich Marios bisher heitere und gelöste Stimmung. Er verstummte und machte ein ernstes, fast schon ängstliches Gesicht. Paula lächelte ihn freundlich an und schenkte sich, nachdem sie den Wein ausgetrunken hatte, aus einer stilvollen Kanne eine Tasse starken, schwarzen Kaffee ein.
»Wenn die Antwort auf diese Frage Sie in Gefahr bringt, dann wollen wir sie nicht hören«, sagte sie, wobei sie es vermied, Beaurain anzusehen.
»Sie sind in viel größerer Gefahr als ich«, entgegnete Murano. »Hier in Mailand sind Sie nirgends sicher. Seien Sie also äußerst vorsichtig...«
Das schnurlose Telefon, das vor Mario auf dem Tisch lag, klingelte. Er nahm es, drückte eine Taste und sprach dann in rasend schnellem Italienisch mit der Person am anderen Ende der Leitung. Dabei veränderte er sich auf verblüffende Weise. Sein rundliches Kinn straffte sich, und seine angenehm weiche Stimme bekam einen rauen, kratzigen Ton. Als er das Telefon zurück auf den Tisch legte, machte er ein besorgtes Gesicht.
»Probleme?«, fragte Beaurain.
»Entschuldigen Sie bitte«, antwortete Mario und reichte Paula einen Teller mit Keksen. Sie nahm einen und steckte ihn sich in den Mund. Er schmeckte gut. »Ich muss leider weg und mich mit jemandem treffen. Es dauert nicht lang,
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