Das Netz
Kopf: die zwei Jahre, die in Evas Biographie fehlen, und die Tatsache, dass wir nichts über ihren Vater wissen.«
»Vielleicht erzählt sie mir heute beim Abendessen ja etwas darüber.«
»Außerdem frage ich mich, ob nicht vielleicht sämtliche Bewohner von Carpford etwas mit der Führung der El-Kaida-Zelle zu tun haben. Könnte doch sein, dass sie alle unter einer Decke stecken.«
»Ein interessanter Ansatzpunkt.«
»Eines haben Sie übersehen, Tweed«, sagte Beaurain. »Wenn Sie zum Essen ins Santini wollen, müssen Sie allein hinfahren, aber das erscheint mir angesichts der Tatsache, dass heute schon einmal ein Anschlag auf Sie verübt wurde, wenig ratsam. Wann wollen Sie denn losfahren? So um halb sieben? Das dachte ich mir. Also, ich werde einfach eine Bekannte von mir anrufen und sie zum Essen ins Santini einladen. Wenn Sie hinfahren, bleibe ich dicht hinter Ihnen.«
»Wie Sie wollen...«
»So und nicht anders.«
Ali, der sich hierzulande als Adam ausgab, stand in einer öffentlichen Telefonzelle, die sich in einer menschenleeren Londoner Nebenstraße befand, und schaute sich verstohlen um, ob auch wirklich niemand in Hörweite war. Als das Telefon klingelte, hob er ab und fragte auf Englisch:
»Wer ist dran?«
»Wie heißt du?« Es war wieder die verzerrte Stimme.
»Ali.«
»Hier ist Abdullah. Warum ist dieser Tweed immer noch am Leben?«
»Mehmet wollte ihn am Hyde Park Corner ausschalten, aber das Mädchen in Tweeds Wagen hat Mehmet in die Hand geschossen. Die Polizei hat ihn festgenommen, und jetzt wird er im St.-Thomas’s-Krankenhaus behandelt.«
»Schick jemanden als Arzt verkleidet hin und lass ihn umbringen. Daran hättest du übrigens auch selbst denken können.«
»Ich...«
»Halt den Mund! Ich bin noch nicht fertig. Ich will, dass du augenblicklich einen anderen Mann auf Tweed ansetzt. Er muss ausgeschaltet werden. Und sind die Lieferungen jetzt alle an ihrem Bestimmungsort?«
»Alle bis auf eine. Es ist nicht leicht, weil ganz London nur so von Polizei wimmelt.«
»Das ist keine Entschuldigung. Und sieh zu, dass Tweed liquidiert wird. Aber es muss wie ein Unfall aussehen...«
Wieder einmal legte Abdullah einfach auf. Ali, der so gut Englisch sprach, dass man ihn für einen Einheimischen halten konnte, stieß daraufhin einen derben angelsächsischen Fluch aus.
Der riesige Sattelschlepper stand an der Straßenbiegung, wo die Euston Road in die Park Crescent überging. Der Fahrer hatte den Schirm seiner Baseballmütze tief ins Gesicht gezogen und studierte ein Foto von Tweed, das zu ergattern Abdullah ein Vermögen gekostet hatte. Ein zwielichtiger Paparazzo, der sich darauf spezialisiert hatte, unbemerkt Bilder von wichtigen Personen zu schießen, hatte es ihm nach längerem Hin und Her verkauft.
Unter seiner schäbigen Lederjacke hatte der Fahrer ein kleines, aber lichtstarkes Nachtglas verborgen, mit dem er jede Person musterte, die aus der Tür eines bestimmten Gebäudes in der Park Crescent kam. In der letzten halben Stunde waren mehrere Männer aus dem Haus gekommen, aber niemand hatte wie der Mann auf dem Foto ausgesehen.
Nach einer Weile hielt ein Streifenwagen der Polizei neben dem Sattelschlepper, womit der Fahrer aber schon gerechnet hatte, weil der lange Lastzug ein ziemliches Verkehrshindernis darstellte. Er wartete, bis einer der Beamten ausgestiegen und an sein Führerhaus gekommen war.
»Wieso stehen Sie hier?«, fragte der Polizist.
»Ich hatte eine Motorpanne, die aber jetzt behoben ist. Ich will nur noch kurz einen Blick auf den Stadtplan werfen, dann fahre ich auch schon weiter.«
»Beeilen Sie sich, Sie halten nämlich den ganzen Verkehr auf.«
Ein paar Minuten später kam Tweed aus dem Gebäude und setzte sich hinter das Steuer seines Wagens. Der Lastwagenfahrer startete den Motor und setzte den Sattelzug langsam in Bewegung.
22
Als alle anderen bis auf Tweed und Monica gegangen waren, rief Harry Butler bei Rechtsanwalt Pecksniff an. Dabei schaltete er die Freisprecheinrichtung des Telefons ein, damit Tweed das Gespräch mithören konnte.
»Sind Sie es, Mr Pecksniff?«
»Ja. Mit wem spreche ich?«
»Wir haben uns heute schon mal angeregt über Carpford unterhalten. Erinnern Sie sich?«
»Ja. Was wollen Sie denn nun schon wieder? Ich habe wirklich sehr viel zu tun.«
»Es dauert nicht lange, Mr Pecksniff. Nur noch eine einzige kleine Frage. Wenn Sie mir die allerdings nicht am Telefon beantworten möchten, kann ich auch gern wieder bei
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