Das Netz
und fuhren zurück zur Park Crescent.
»Warner mimt den Ahnungslosen ziemlich gut«, sagte Tweed, während er sich in den dichten Berufsverkehr einfädelte. »Oder was war Ihr Eindruck?«
»Ich glaube, dass er wirklich keine Ahnung hat.«
In der Innenstadt gerieten sie in zunehmend zähflüssigeren Verkehr, der sich immer wieder mal staute. Am Hyde Park Corner ging dann überhaupt nichts mehr. Die Autos standen Stoßstange an Stoßstange und kamen nur noch zentimeterweise voran.
Als sie die Statue des Duke of Wellington halb umrundet hatten und wieder einmal alles zum Stillstand kam, bemerkte Paula in einem der Autos unmittelbar neben ihnen einen jungen Mann mit braunem Teint und Kurzhaarschnitt, der trotz der Kälte sein Fenster herunterkurbelte. Misstrauisch geworden, holte sie ihre Browning aus der Schultertasche und fuhr ihr Fenster ebenfalls herunter. Gerade als es wieder ein paar Meter vorwärtsging, zog der Mann eine Pistole und richtete sie auf Tweed. Ohne zu zögern, hob Paula ihre Waffe und schoss dem Mann in die rechte Hand. Er schrie vor Schmerz laut auf und ließ die Pistole fallen.
»Fahren Sie los, Tweed!«, schrie Paula.
Der Wagen neben ihnen war stehen geblieben, und die Fahrer hinter ihm fingen wie wild zu hupen an. Tweed entdeckte eine Lücke im Verkehr, riss das Lenkrad herum und raste den Grosvenor Place hinunter.
Paula drehte sich um und sah, dass der Wagen ihres Angreifers noch immer mitten auf der Straße stand. Das Hupkonzert hinter ihm wurde immer lauter.
»Dieser Mistkerl wollte Sie umbringen«, keuchte Paula.
»Wenn ich Sie nicht hätte, Paula! Aber woher wusste der Mann nur, wo wir waren? Wahrscheinlich hat jemand Warners Haus observiert und per Handy gemeldet, dass wir losgefahren sind.«
»Kann sein. Vielleicht kam der Anruf aber auch von jemandem aus Warners Haus.«
21
Als Tweed und Paula ins Büro kamen, warteten dort bereits die anderen auf sie. Newman saß wie üblich in einem der Sessel, auf dessen Armlehne diesmal aber Pete Nield Platz genommen hatte. Butler hockte natürlich im Schneidersitz auf dem Boden, und Marler lehnte - natürlich - mit dem Rücken an der Wand. Im anderen Sessel saß ganz entspannt Beaurain, der Paula freundlich zuzwinkerte. Tweed hängte seinen Regenmantel an die Garderobe und setzte sich an seinen Schreibtisch.
»Ich habe Sie alle herrufen lassen, um mit Ihnen die gegenwärtige Lage und unsere weiteren Aktionen zu besprechen. Der wichtigste Punkt dürfte wohl sein, dass wir jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wissen, mit wem wir es zu tun haben: mit niemand anderem als der El Kaida. Dafür sprechen drei voneinander völlig unabhängige Aussagen: die von Marlers Topinformantin Emma, die des ehemaligen Carabinieri-Offiziers, den Jasper Buller in Mailand aufgesucht hat, und die eines Mannes namens Philip in Verona, der mir persönlich als äußerst zuverlässig bekannt ist und zurzeit den Namen Aldo Petacci benutzt.« Wie so oft in letzter Zeit, schlug Tweed mit der Faust auf den Tisch, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Damit dürften wohl auch die letzten Zweifel ausgeräumt sein. Eine gefährliche Terrorzelle, die bisher ihr Unwesen in Mailand getrieben hat, operiert jetzt quasi vor unserer Haustür. Und sie plant nichts Geringeres als einen Anschlag, der höchstwahrscheinlich in London erfolgen und den Terror des 11. Septembers noch in den Schatten stellen wird.«
»Sollten Sie den anderen nicht erzählen, dass man versucht hat, Sie umzubringen?«, warf Paula ein.
»Was Sie zum Glück verhindert haben«, sagte Tweed und schilderte dann den Vorfall am Hyde Park Corner.
Newman reagierte unverzüglich. »Ab sofort dürfen Sie ohne bewaffneten Leibwächter nirgendwo mehr hin, Tweed«, sagte er.
»Da reden wir noch drüber...«
»Nein!«, widersprach Newman energisch. »Das ist beschlossene Sache.«
»Dürfte ich jetzt bitte fortfahren? Danke. Also, mit der El Kaida haben wir einen Furcht erregenden Gegner, über den wir nur sehr wenig wissen.« Wieder sauste die Faust hinab auf die Tischplatte. »Wir wissen nicht, wo in London der Anschlag erfolgen soll, wir wissen nicht, wo die Zelle ihr Hauptquartier hat, und wir wissen vor allem nicht, wer sie anführt...«
»Was ist denn mit Carpford?«, fragte Nield dazwischen. »Könnte das Hauptquartier sich nicht dort befinden?«
»In Carpford? Wo wollen Sie da denn dreißig Terroristen verstecken?«
»Das könnte man doch schnell herausfinden«, sagte Newman.
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