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Chance, ein echtes Fossil kennenzulernen. Warten Sie, ich bin gleich wieder da.» Er ging auf die Toilette und kam mit einem Glas Whiskey zurück. «Hören wir auf mit den Spielchen. Worum geht es bei dem Fall – und warum glauben Sie, dass ich Ihnen dabei helfen kann?»
«Es geht um sowjetische Nationalitäten.»
«Im Ernst?»
«Im Ernst. Man fand, ich sollte mit Ihnen reden, weil Sie in den Fünfzigern einige grenzüberschreitende Operationen geleitet haben.»
«Stimmt. Das war aber alles ein gewaltiger Griff ins Klo. Hat viele Unschuldige das Leben gekostet. Erzählen Sie mir nicht, dass die da wieder anknüpfen wollen.»
«Nicht direkt.»
«Was heißt das?»
«Ich kann Ihnen keine Details nennen.»
«Dann erzählen Sie mir eben den Rest.»
«Wir werden keine echten grenzüberschreitenden Operationen durchführen, sondern nur so tun, als ob. Wenn Sie verstehen, was ich meine.»
«Sie wollen also bluffen.»
«Genau.»
«Sie wollen denen weismachen, Sie hätten vier Asse auf der Hand, obwohl es in Wirklichkeit nur ein paar Zweien sind.»
«Richtig.»
«Sekunde. Ich glaube, jetzt verstehe ich langsam.»
«Wie bitte?»
«Das muss eins von Stones krummen Dingern sein.»
Anna schwieg.
«Edward Stone. Soll ich Ihnen den Namen buchstabieren?»
Anna sagte immer noch nichts.
«Das ist nur wieder eins von seinen kranken Spielchen. Hokuspokus, drei Mal schwarzer Kater und das ganze Theater. Ich soll ihm mit der Drecksarbeit helfen. Und weil er nicht den Mumm hat, selbst zu mir zu kommen, schickt er mir sein schwanzloses Helferlein vorbei. So ist das doch in etwa, oder?»
«Jetzt gehen Sie eindeutig zu weit.» Anna stand auf.
«Ach, kommen Sie. Setzen Sie sich wieder. Tut mir leid, das mit dem schwanzlosen Helferlein. Das war nur ein Witz.»
«Sie sind noch viel schlimmer, als man mir gesagt hat. Was haben Sie eigentlich für Probleme? Was hat Sie so wütend gemacht?»
«Mein Problem ist, dass es mir bis hier steht, ständig zuschauen zu müssen, wie uns alle Welt in den Arsch tritt. Das macht mir schlechte Laune, und dann sage ich einem netten Mädchen wie Ihnen gemeines Zeug. Wenn Sie wissen wollen, was mich wütend macht, lesen Sie einfach mal die Zeitung. Macht man so was noch in der Zentrale? Zeitung lesen, meine ich. Wahrscheinlich gibt’s inzwischen ’ne Maschine, die das übernimmt.»
Anna schwieg.
«Das hier, Süße, das sind die Nachrichten eines einzigen Tages.» Hoffman nahm eine Ausgabe der Athener
Post
, der örtlichen englischsprachigen Zeitung, vom Couchtisch.
«Was haben wir denn hier auf der Titelseite? ‹Iranisches Exekutionskommando erschießt 21 Schah-Mitarbeiter›. So ein Pech aber auch. Ein paar von den Jungs kannte ich sicher persönlich. Na ja, da haben wir eben Scheiße gebaut. Was soll man machen? Schauen wir mal weiter unten auf der Seite. Riesenschlagzeile: ‹Linksextremistische Bombenanschläge in Italien und der Türkei›. So viel zum Thema NATO. Ups, wieder Scheiße gebaut. Dann schlagen Sie eine beliebige Seite auf, und was lesen Sie? Ein sozialistischer Abgeordneter behauptet, die CIA habe die griechische Armee unterwandert. Das wär doch mal was, wenn’s nur stimmen würde. Aber es stimmt nicht. Und hier, auf Seite drei, das ist ein echtes Schmuckstück. Das müssen Sie lesen.» Er reichte Anna die Zeitung und deutete auf einen Artikel in der Mitte der Seite.
«‹Sowjets bescheinigen CIA Schuld an Gewaltwelle in Italien›.»
«Na los», sagte Hoffman. «Lesen Sie weiter.»
«‹Moskau. Der amerikanische Geheimdienst CIA wurde heute von einer sowjetischen Zeitung beschuldigt, für die Welle politischer Gewalt verantwortlich zu sein, die gegenwärtig Italien erschüttert. Wie die Tageszeitung
Sovietskaya Rossiya
schrieb, ermutige die CIA sowohl links- als auch rechtsextremistische Gruppierungen dazu, Bomben zu legen und demokratische Politiker aus dem Hinterhalt niederzuschießen.›»
«‹Aus dem Hinterhalt›: Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Lesen Sie weiter.»
«‹Im CI A-Hauptquartier in Langley, Virginia, so der Kommentar weiter, seien die zuständigen Abteilungen rund um die Uhr damit beschäftigt, Pläne für neue Provokationen und Morde sowie für die politische Spaltung Italiens auszuarbeiten.›»
«Großartig! Eine örtliche Zeitung in Athen, der Hauptstadt eines unserer NAT O-Verbündeten , druckt unreflektierte KG B-Propaganda . Tja, noch so ein Griff ins Klo. Was soll man tun? Schauen wir einfach mal, was zu
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