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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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«Ist das auch ein Deckname?»
    «Nein. So heiße ich.»
    «Und woher kennen Sie meinen alten Arbeitsnamen?»
    «Ich bin als Agentin in London. Ihren Namen habe ich von einem Kollegen aus der Zentrale, der glaubt, Sie könnten uns vielleicht in einer bestimmten Angelegenheit helfen.»
    «Was für ’n Kollege denn?»
    «Das würde ich Ihnen lieber nicht sagen.»
    «So, so. Und warum haben die Sie extra aus London oder Washington hergeschickt, oder wo Sie grade herkommen, wo sich drüben in der Botschaft ein ganzes Stockwerk voller Agenten auf die Füße latscht? Dass ich’s nicht mache, hätte ich genauso gut einem von denen sagen können.»
    «Es ist ein etwas heikler Fall. Der Oberbefehl liegt bei der Zentrale.»
    «Und die hat Sie geschickt.»
    «Genau.»
    «Und Sie sind also Agentin.» Er hängte die weibliche Endung mit so viel Herablassung in der Stimme an, als spräche er von einer Behinderung.
    «Ja. Wie Sie sehen.»
    «Chancengleichheit, was?»
    «Richtig.»
    «Na, ich find’s jedenfalls klasse, dass jetzt auch Frauen im Außendienst eingesetzt werden. Wollte ich nur gesagt haben. Wär doch beschissen, wenn die nationalen Interessen der USA der Chancengleichheit im Weg stünden. Im Ernst.»
    «Wie meinen Sie das denn?»
    «Ach, nur so.» Entweder war er bereits betrunken oder einfach nur schrecklich unhöflich. «He, wissen Sie was? Ich erzähl Ihnen mal einen Witz. Der wird Ihnen gefallen, ist richtig gut.»
    Anna schwieg. Im Stillen überlegte sie bereits, wann der nächste Flug zurück in die USA ging.
    «Also, der Witz geht so. Wir werfen einen Agenten mit dem Fallschirm über der Sowjetunion ab. Der Typ ist absolut perfekt. Er spricht fließend Russisch, ohne jeden Akzent. Er trägt russische Klamotten aus dem lausigen Stoff, den sie da verwenden, er raucht dieselben komischen Zigaretten, und seine Papiere sind erste Sahne, bis hin zu den rostigen Klammern, die diese rötlichen Abdrücke in der Mitte vom Pass machen. Der Junge hat einfach alles! Als er gelandet ist, versteckt er seinen Fallschirm und läuft in die nächste Stadt, geht in eine Bar und bestellt ein Bier, ’ne örtliche Marke, in seinem perfekten, akzentfreien Russisch. Und die Frau hinter der Theke sagt zu ihm: ‹Sie sind wohl von der CIA.›»
    «Ich glaube, den kenne ich schon.»
    «Sagt der Typ: ‹Woher wissen Sie das? Ich bin doch der perfekte Russe. Klamotten, Akzent, Ausweis, Zigaretten.› Und die Frau sagt: ‹Tja, aber schwarze Russen sind hier doch ziemlich selten.› Ist doch witzig, oder?»
    «Nicht sonderlich. Außerdem kannte ich ihn schon.»
    «Frauen haben eben keinen Humor.»
    «Ich glaube, ich gehe jetzt besser.»
    «Nun mal langsam. Sie brauchen doch nicht gleich die Flucht zu ergreifen. Herrgott, war doch nur ’n Witz.»
    «Hören Sie, Mr.   Hoffman, ich bin wirklich nicht hierhergekommen, um mir rassistische Witze anzuhören oder mit Ihnen über Feminismus zu diskutieren. Es ist mir offen gestanden herzlich egal, was Sie über diese oder sonst irgendwelche Themen denken.»
    «Hey, ist ja schon gut. Beruhigen Sie sich. Warum sind Sie denn nun hier, um den alten Onkel Frank zu besuchen? Warumrufen Sie einfach so ohne Vorwarnung an und kennen meinen alten Decknamen? Hm?»
    «Weil in der Zentrale jemand der Ansicht war, Sie könnten uns bei einem wichtigen Fall helfen.»
    «Und warum gerade ich? Ich hab gekündigt, die Ideale der guten Jungs verraten – und das alles interessiert mich einen Scheißdreck. Haben die Ihnen das nicht gesagt?»
    «Doch, haben sie.»
    «Ach ja? Dann können die mich mal. Obwohl es natürlich stimmt: Ich halte wirklich nicht viel von den Idealen dieser Sesselpupser. Hab zu viel Geld und zu viel Spaß und wirklich keine Lust, mich noch mit diesen unfähigen Knalltüten abzugeben. Vermutlich bin ich damit ein Zyniker.»
    «Sieht ganz so aus.»
    «Sie können mich auch mal. Aber hören wir auf mit dem Mist. Worum geht’s denn bei Ihrem kleinen Fall?»
    «Ich bin mir nicht sicher, ob es Sinn hat, Ihnen das zu erläutern. Sie klingen mir ehrlich gesagt ziemlich ausgebrannt, und so etwas können wir nicht brauchen.»
    «Scheiße, ja, ich bin ausgebrannt. Und ich bin stolz darauf. Zu meiner Zeit hab ich lichterloh gebrannt, was man von den wenigsten Ihrer sogenannten Kollegen heute behaupten kann. Die werden garantiert nicht ausbrennen, weil sie gar nicht erst Feuer fangen. Wollen Sie noch was trinken?»
    «Nein. Wie gesagt, ich sollte besser gehen.»
    «Wozu die Eile? Das ist vielleicht Ihre

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