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Hause passiert, wenn es mit dem Rest der Welt bergab geht und wir alle Schuld daran auf uns nehmen. Bingo, da steht ja eine hübsche Geschichte auf Seite sechs. Das wird Ihnen gefallen. ‹Lesbische Polizistinnen erwirken Schadenersatzzahlungen›. Das ist die Überschrift. Und ich zitiere aus dem Artikel: ‹Sechs ehemalige Polizistinnen aus Boise, die 1977 wegen mutmaßlicher homosexueller Handlungen von der Stadt suspendiert wurden, haben Schadenersatzzahlungen in Höhe von 103 000 $ für Lohnnachzahlungen, Steuerausgaben und Anwaltskosten erhalten.› Ist das nicht schön? Freuen Sie sich nicht auch, dass unsere Gesetzeshüter sich noch mit den wirklich wichtigen Dingen befassen?»
«Sie sind ein richtiges Arschloch, Mr. Hoffman.» Anna stand auf.
«Warten Sie, bleiben Sie sitzen. Wir wollten doch gerade übers Geschäftliche reden.»
«Ich nicht. Ich gehe.»
«Jetzt beruhigen Sie sich mal.»
«Ich bin vollkommen ruhig.» Anna ging zur Wohnungstür und öffnete sie. «Ich kann nur nicht fassen, wie sehr sich Stone in Ihnen getäuscht hat. Er sagte, Sie wären ein alter Nörgler, aber durchaus der Mühe wert. Aber ich muss sagen, Sie tun mir leid. Sie sind einfach nur ein ausgebrannter Jammerlappen.»
Hoffman rief ihr irgendeine Beleidigung nach, doch das half ihm auch nichts. Anna war bereits aus der Tür.
Am nächsten Morgen um halb acht klingelte das Telefon in Annas Hotelzimmer. «Hier ist Ihr Weckanruf», sagte eine Männerstimme.
«Ich habe doch gar keinen bestellt.»
«Okay, hier ist Frank Hoffman. Ich rufe an, weil ich mich bei Ihnen entschuldigen will.»
«Schon gut», sagte Anna. «Vergessen Sie’s. Wiederhören.»
«Halt, legen Sie nicht auf. Mir ist das wirklich ernst. Frühstücken Sie mit mir, dann reden wir über alles.»
«Nein.»
«Aber Sie müssen doch was frühstücken, Süße.»
«Ich muss überhaupt nichts.»
«Doch, müssen Sie. Ich habe nämlich schon für Sie bestellt.»
«Was?»
«Ich habe schon Frühstück für Sie bestellt. Ich hoffe, Sie mögen Rührei.»
«Das können Sie doch nicht machen.»
«O doch. Ich kenne ein paar Leute hier im Hotel. In einer Viertelstunde kommt das Frühstück zu Ihnen aufs Zimmer. Und ich auch.»
«Sie können unmöglich zu mir aufs Zimmer kommen.»
«Wieso nicht? Außerdem dachte ich, Sie hätten eine Suite?»
«Woher wissen Sie das?»
«Ich sagte doch gerade, ich habe Bekannte hier im Hotel. Bis gleich.»
Anna hatte keine Lust, sich weiter zu streiten, und legte auf.
Hoffman hatte nicht nur Frühstück, sondern auch Blumen dabei, eine ganze Wagenladung Lilien, Gladiolen und Tulpen. Und während Anna bei vorgelegter Kette durch den Türspalt spähte und noch überlegte, ob sie ihm wirklich aufmachen sollte, fing er an zu singen. Es hörte sich an wie ein improvisiertes Medley aus
Kiss me, Kate
, ganz klar zu erkennen war das aber nicht, weil Hoffmans kratzige Stimme nicht sonderlich tonsicher war und er außerdem den halben Text unterschlug. Schließlich beschloss Anna, ihn samt Frühstück, Blumen und Cole Porter hereinzulassen. Was blieb ihr auch anderes übrig?
«Sie hatten recht gestern», sagte Hoffman, nachdem er sich an den Tisch gesetzt und sich über seine Hälfte des Frühstücks hergemacht hatte. «Ich habe mich wie ein Arschloch verhalten. Das tut mir leid. Wirklich. Ist mir schrecklich unangenehm.»
«Jetzt hören Sie schon auf, sich zu entschuldigen», sagte Anna. «Sonst fange ich noch an, mich schuldig zu fühlen.»
«Schön.» Hoffman schaufelte Rühreier mit Toast in sich hinein. «Sie sollen sich ja auch schuldig fühlen. So schuldig, dass Sie Ihr Angebot nochmal wiederholen.»
«Welches Angebot? Ich habe Ihnen doch noch gar keins gemacht.»
«Aber Sie wollten mir eins machen. Ich soll Ihnen und Stone doch bei Ihrer kleinen Sowjet-Eskapade helfen, was immer Sie da genau vorhaben.»
«Und warum wollen Sie uns jetzt plötzlich helfen?»
«Weil mir langweilig ist. Und weil ich Patriot bin. Außerdem braucht ihr jemanden wie mich.»
«Ich dachte, Sie können Stone nicht leiden.»
«Stone ist schon in Ordnung. Er ist einfach nur zu schlau für ’n schlichtes Gemüt wie mich. Aber dafür, dass die Welt am Arsch ist, kann er ja auch nichts.»
Anna betrachtete den dicken Mann, der ihr da in ihrer Suite gegenübersaß und eifrig sein Frühstück verzehrte. Auch heute trug er wieder den seltsamen Goldanhänger um den Hals, der ihr schon am Abend zuvor aufgefallen war. Er sah aus wie ein kleiner
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