Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Netzwerk

Das Netzwerk

Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
Vom Netzwerk:
klar war, dass Munzer seinem Freund zumindest inAndeutungen alles erzählen würde. Aber das konnte Taylor nur recht sein.
    «Ich werde vorsichtig sein», versprach Munzer.
    Taylor öffnete seine Aktentasche und nahm mehrere Exemplare des Pamphlets von Mustafa Chokay heraus, das Stone in Washington hatte vervielfältigen lassen.
    «Die können Sie ihrem Freund Khojaew geben», sagte er.
    «Allah, was ist denn das?», fragte Achmedow, während er rasch die Seiten von «Turkestan unter sowjetischem Joch» durchblätterte.
    «Nur ein kleiner Teil unseres Materials. Ihres Materials, um genauer zu sein.»
    «Aber das ist ja das Buch von Mustafa Chokay. Sie haben es für Munzer drucken lassen?» Taylor nickte.
    «Zeigen Sie es Khojaew und anderen Freunden, von denen Sie denken, dass sie vertrauenswürdig sind, und fragen Sie sie, was sie davon halten.»
    «Ich gebe es Kirdarow und Nemir Bey. Das sind ehrliche Leute, kein Zweifel.»
    «Wenn Sie es sagen   …»
    «Und was soll ich sagen, dass mit dem Buch passiert?»
    «Dass viele weitere Exemplare davon unterwegs in die Sowjetunion sind.»
    «Auf welchem Weg, bitte?»
    «Über Riad», sagte Taylor augenzwinkernd.
    «Ja, natürlich, über Riad», erwiderte Munzer und versuchte, zurückzuzwinkern, was ihm aber mit seinen schmalen Augen nicht so recht gelingen wollte.
    «Das ist genug für heute», sagte Taylor. «Leben Sie sich erst einmal hier ein und reden Sie mit Ihren Freunden, und in drei Tagen treffen wir uns im Yildiz-Park.»
    Auf dem Rückweg fuhr Taylor durch die Yeniceriler Straße und sah hinauf zu der rechten Wohnung im dritten Stock, ob er dort vielleicht eine Veränderung erkennen konnte. Aber da war nichts. Keine Bewegung, kein Lebenszeichen. Es sah ganz so aus, als würde dort niemand mehr wohnen.
     
    Als Nächstes suchte er Sonja auf, die tscherkessische Schönheit, die in Omars Bar orientalische Liebeslieder sang. Sonja war ihm nützlicher als Omar selbst, der zwar in Ordnung war, aber den Mund nicht halten konnte. Sonja war intelligent und verschwiegen und obendrein auch einmal in Taylor verliebt gewesen. Vielleicht war sie es ja immer noch, denn als er sie am Nachmittag anrief und fragte, ob er sie in ihrer Wohnung in Cihangir besuchen dürfte, klang sie zwar erstaunt, aber auch hocherfreut.
    Als Sonja ihm die Tür aufmachte, küsste Taylor sie auf den Mund. Es wirkte spontan, wie alle Gesten, die Taylor sich genau überlegt hatte. Sonja sah noch schöner aus, als er sie in Erinnerung hatte. Sie war eine schlanke Frau, leicht wie eine Feder und so zart gebaut, dass sie immer fünf Zentimeter über dem Boden zu schweben schien. Im Osten galten die Tscherkessinnen als die schönsten Frauen der Welt und hatten vierhundert Jahre lang zur den bevorzugten Konkubinen der ottomanischen Sultane gehört. Als er Sonja so sah, musste Taylor an die letzten Monate mit seiner Ehefrau denken, die ihm jetzt wie ein anderes, längst vergangenes Leben vorkamen. Damals hatte er sich nur dann auf ein Liebesabenteuer einlassen können, wenn garantiert nichts Ernstes daraus wurde. Bei Sonja war das nicht möglich gewesen, und so hatte er mit ihr Schluss machen müssen, um ihr nicht mit Haut und Haaren zu verfallen.
    «Ich brauche deine Hilfe, Sonja», sagte Taylor, als er mit einem Glas Wodka in der Hand neben ihr auf der Couch saß. Währendihrer Liebesaffäre hatten sie hier viele von Glück und Alkohol benebelte Stunden verbracht und durch das Fenster den Fähren auf dem Bosporus hinterhergeschaut.
    «Hoffentlich willst du nicht wieder, dass ich mit einem deiner amerikanischen Freunde ausgehe.»
    Taylor schüttelte den Kopf.
    «Ich würde es tun, wenn du es willst, aber ich hoffe, dass es etwas anderes ist.»
    «Ist es diesmal auch. Ich brauche etwas viel Einfacheres. Ein usbekischer Freund von mir ist gerade in Istanbul eingetroffen. Ein netter, älterer Mann, der gerne über seine frühere Heimat spricht. Demnächst wird er bestimmt bei Omar auftauchen, und wenn er kommt, möchte ich, dass du dich ein wenig um ihn kümmerst. Behandle ihn, als wäre er etwas ganz Besonderes. Sein Name ist Munzer Achmedow, und du wirst ihn bestimmt mögen.»
    «Und er ist ein Freund von dir?»
    «Ein ganz spezieller Freund. Ein Freiheitskämpfer.»
    «Okay, mein Liebling. Aber das ist irgendwie zu einfach. Du brauchst doch bestimmt noch etwas anderes.» Das Licht, das durch das Fenster hereinströmte, ließ ihr Gesicht erstrahlen wie das eines byzantinischen Engels.
    «Nein, das ist

Weitere Kostenlose Bücher