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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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sagt, dass er ein großer, blonder Mann ist.»
    «Möglich, dass er für uns arbeitet, Mr.   Achmedow. Ich weiß, dass noch andere Leute an diesem Projekt beteiligt sind, aber nicht, wer sie im Einzelnen sind. Wo ist denn dieser Amerikaner jetzt?»
    «Khojaew sagt, dass er fort ist.»
    Mist, dachte Taylor. «Hat denn Khojaew gesagt, ob der Mann vorhat, zurückzukommen?»
    «Vielleicht. Khojaew weiß es nicht.»
    «Mochte Khojaew ihn denn?»
    «Er hat ihn nie getroffen. Sein Freund Mr.   Abdallah aus Taschkent hat mit ihm gesprochen und hat es Khojaew erzählt. Er sagt, dass dieser Amerikaner viel über die Freiheit und die Unabhängigkeitder Turkvölker geredet und Hilfe aus Amerika versprochen hat. Passiert ist aber nichts. Irgendwie klingt das für mich wie damals, als Munzer Achmedow so enttäuscht wurde, aber von meinem Freund Mr.   Goode weiß ich ja, dass die alten Zeiten jetzt vorbei sind.»
    «Munzer, hören Sie mir gut zu», sagte Taylor vertraulich. «Ich wünschte, ich dürfte Ihnen alle Details unserer Operation offenlegen, aber das geht allein schon deshalb nicht, weil mir einige davon selbst nicht bekannt sind. Sie müssen mir einfach vertrauen.»
    «Klar. Okay. Ich vertraue Ihnen.»
    «Gut. Ich kümmere mich um alles, verlassen Sie sich drauf.»
    «Aber was soll ich denn nun tun? Khojaew sagt, dass ich mit dem anderen Amerikaner reden soll, wenn der zurückkommt. Aber Khojaew weiß natürlich nicht, dass Munzer Achmedow schon für Mr.   Goode arbeitet.»
    «Richtig. Und das dürfen Sie ihm auch auf gar keinen Fall sagen. Lassen Sie mich wissen, wenn der andere Amerikaner wieder auftaucht, vielleicht treffe ich mich dann mit ihm.»
    «Okay. Munzer Achmedow kennt sich aus im Spionagegeschäft. Da weiß nie irgendjemand irgendetwas.»
    «Ganz genau», sagte Taylor. «Fürs Erste ist es am besten, Sie vergessen den Amerikaner, denn ich habe eine wichtige Aufgabe für Sie.»
    «Munzer Achmedow ist bereit.»
    Taylor zog einen ziemlich zerfledderten, mit kyrillischen Buchstaben bedruckten Zettel aus der Tasche und gab ihn Achmedow. Es war in usbekischer Sprache verfasst.
    «Was ist das, bitte?»
    «Ein Flugblatt, das zu einer Demonstration aufruft. Sie soll in zehn Tagen an einem Sufi-Schrein bei Taschkent stattfinden.Einer unserer Moskauer Agenten, der zufällig dort war, hat es uns zukommen lassen.»
    «Allah! Eine Demonstration? Wir Usbeken sind tapfere Leute, aber das ist viel zu gefährlich. Was bedeutet das, bitte?»
    «Das wissen wir nicht. Wenn das Flugblatt echt ist, dann sollten wir uns um die Sache kümmern. Könnten Sie sich bitte mal umhören? Fragen Sie, ob jemand von den Immigranten hier in Istanbul etwas darüber weiß. Bei unserem nächsten Treffen berichten Sie mir.»
    Munzer faltete das Flugblatt vorsichtig, fast liebevoll zusammen und steckte es in die linke Brusttasche seines Jacketts, wo es ganz nahe an seinem Herzen war.
    Wo, zum Teufel, steckt dieser Rawls?, fragte sich Taylor, als er am Abend wieder an dessen Wohnhaus in der Beyazit-Straße vorbeifuhr. Hinter Rawls’ Fenstern war wie üblich kein Licht zu sehen. Auch bei weiteren Besuchen in den Tagen darauf kam ihm die Wohnung leer und verlassen vor. Vielleicht wohnte er ja schon längst woanders, vielleicht hatte er auch Istanbul für immer verlassen. Taylor konnte nichts tun als immer wieder seine Angel ins Wasser zu hängen und zu warten, bis der Fisch anbiss.
     
    «Niemand weiß etwas über eine Demonstration in Taschkent», berichtete Munzer am Dienstag. Diesmal hatte er keine Sonnenbrille auf, trug aber eine traditionelle usbekische Kappe mit schwarz-weißer Stickerei, die wie ein Deckel auf seinem Kopf saß.
    «Das ist schade», sagte Taylor.
    «Nein. Das ist gut.»
    «Warum? Ich brauche Informationen über diese Leute in Taschkent, damit ich weiß, wie wir ihnen helfen können.»
    «Nein, nein, Sie sehen das falsch. Wenn schon die Leute hier in Istanbul darüber reden, dann muss die Demonstration ja eine Finte sein. Wenn aber niemand etwas weiß, dann gibt es sie vielleicht wirklich, und das würde Munzer Achmedow sehr glücklich machen. Sagen Sie also Ihren Freunden bei der CIA, dass möglicherweise doch eine muslimische Demonstration in Taschkent stattfindet.»
    Sie gingen langsam die Straße entlang und entfernten sich dabei immer weiter von dem Fähranleger. Vor dem Haydarpasa-Bahnhof, dem alten Tor nach Asien, standen verbeulte Busse mit laut vor sich hin tuckernden Dieselmotoren, die rußig schwarze Rauchwolken

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