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Das Netzwerk

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Titel: Das Netzwerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Bein im Lubjanka-Gefängnis stand, war es immer noch unter seiner Würde, mit einem schmutzigen Löffel zu essen. So, wie es ihm der CI A-Mann aufgetragen hatte, stellte er die Reisetasche unter den Tisch und probierte den Reis, von dessen fettigem Geruch ihm fast übel wurde.
    Nach ein paar Minuten setze sich ein dicker Usbeke an den Nebentisch und fing an, mit affenartiger Geschwindigkeit einen Riesenteller Pilau in sich hineinzuschaufeln, als hätte er seit Wochen nichts gegessen. Das war mit Sicherheit nicht der Mann,auf den der Inder wartete. Der kam kurze Zeit später. Er schlenderte langsam auf den Tisch zu und fragte leise auf Englisch: «Darf ich mich zu Ihnen setzen, bitte?», genau, wie es vereinbart war. Nur mit Mühe brachte der Inder die vorgeschriebene Antwort heraus: «Ich gehe sowieso gleich.» Die Tatsache, dass sein Gegenüber, der Mann, an dem vielleicht sein Leben hing, ein Afrikaner war – so schwarz wie der Schlamm am Ufer des Ganges   –, jagte ihm einen Riesenschreck ein. Jetzt muss ich sterben, dachte der indische Geschäftsmann. Ganz gewiss. Er starrte zwanzig Sekunden lang auf seinen Teller, dann stand er auf und ging, wobei er die Reisetasche unter dem Tisch stehen ließ.
     
    Der Schwarze, ein Student aus Tansania mit Namen Wladimir Illitsch Mbane, war vor drei Jahren in Daressalam zur CIA gestoßen. Der dortige Büroleiter hatte ihn angeworben, kurz bevor er sich zum Studium in die Sowjetunion aufgemacht hatte. Einen zusätzlichen Informanten in Moskau, Leningrad oder einem anderen sowjetischen Zentrum konnte die CIA immer brauchen, aber dann schickten die Sowjets den Tansanier ausgerechnet an die Universität von Taschkent, wo es so gut wie nichts auszuspionieren gab. Zwei Jahre lang bezahlte die Sowjetabteilung Mbane fürs Nichtstun, dann hätte die CIA ihm den Laufpass gegeben, wäre nicht Edward Stone auf den jungen Tansanier aufmerksam geworden. Seither führte Mbane ein gänzlich anderes, sehr viel aufregenderes Leben als zuvor.
    Langsam und mit Seelenruhe aß er sein Pilau. Mbane gehörte zu der Sorte Mensch, die perfekte Lügner abgibt – und perfekte Agenten. Seine Nerven waren stark wie Drahtseile und nicht wie die vieler anderer Agenten auf Außenposten bindfadendünn und bis zum Zerreißen gespannt. Man hätte ihn jederzeit an einen Lügendetektor anschließen können und dabei eineKurve erhalten, die so flach war wie das Wasser des Viktoriasees an einem windstillen Tag.
    Als der Tansanier seinen Teller leer gegessen hatte, hängte er sich die Reisetasche des Inders über die Schulter und ging den Karl-Marx-Prospekt entlang in Richtung Leninplatz. Eigentlich hätte man meinen können, dass er als Schwarzer auf den Straßen von Taschkent auffallen müsste, aber genau das Gegenteil war der Fall. Das war einer der großen Vorteile von Rassismus. Usbeken und Russen verachteten die Afrikaner insgeheim und sahen in ihrer Gegenwart einen Preis, den man für die sozialistische Internationale nun einmal bezahlen musste. Am besten, man ignorierte ihn einfach. Und so war ein Farbiger auf der Straße für sie praktisch unsichtbar. Sie interessierten sich nicht für ihn, sprachen nicht mit ihm und konnten sich nicht vorstellen, dass er irgendetwas tun könnte, was auch nur die geringsten Konsequenzen für sie hätte.
    Vorbei an Hunderten von Augenpaaren, die durch ihn hindurchsahen, schlenderte der Afrikaner bis zu der Leninstatue, die auf einem mächtigen Podest inmitten eines großen Platzes in den Himmel ragte. Das Denkmal war der Endpunkt des breiten, zehnspurigen Karl-Marx-Prospekts, auf dem jedes Jahr die Maiparade stattfand. Mbane blieb stehen und blickte hinauf zu Lenins Gesicht, das sich gut dreißig Meter über ihm befand. So wie Jesus am Kreuz in jedem Land seine speziellen Eigenheiten hat, waren auch die Statuen des großen Parteiführers in jeder Sowjetrepublik ein wenig anders. Der usbekische Lenin hatte schmale Augen und hohe, mongolisch anmutende Wangenknochen, und die Papierrolle in seiner rechten Hand gab ihm irgendwie das Aussehen eines atheistischen Imams, der seinen Gläubigen die Gebote des Sozialismus überreicht.
    Sein Namensvetter Wladimir Illitsch Mbane hatte den Auftrag,die Tasche direkt hinter dem Sockel des Denkmals zu deponieren, aber als er sich mit lässigen Schritten dem Platz näherte, hielt dort gerade Jeep der Miliz. Zwei uniformierte Milizionäre stiegen aus und ließen ihre Blicke über die breite Straße streifen, während einer von ihnen etwas

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